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Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikolai Gogol
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ganze frühere Lebensgeschichte ausgekundschaftet. Gott weiß, wie es gelang, das alles herauszuschnüffeln und in Erfahrung zu bringen; aber es wurden Anzeigen erstattet sogar über solche Dinge, von denen nach Tschitschikows Meinung außer ihm und den vier Wänden niemand etwas wußte. Vorläufig war das alles noch Gerichtsgeheimnis und noch nicht zu seinen Ohren gelangt, obwohl ein Schreiben seines treuen Rechtsanwalts, das ihm bald darauf zuging, ihn benachrichtigte, daß sich ein Gewitter gegen ihn zusammenbraue. Das Briefchen war nur sehr kurz und lautete: »Ich beeile mich, Ihnen mitzuteilen, daß wir in Ihrer Angelegenheit mit allerlei Widerwärtigkeiten zu kämpfen haben werden; aber halten Sie daran fest, daß kein Grund zur Beunruhigung vorliegt! Die Hauptsache ist jetzt: kaltes Blut. Wir werden schon alles glücklich erledigen.« Dieses Schreiben beruhigte ihn vollständig. »Ein wirkliches Genie!« sagte Tschitschikow bei sich. Um ihn vollends vergnügt zu machen, brachte ihm in diesem Augenblicke der Schneider den neuen Anzug. Es entbrannte in ihm der lebhafte Wunsch, sich in dem neuen Fracke mit der Farbe »Rauch und Feuer von Navarino« zu sehen. Er zog die Beinkleider an, die seine Beine überall wunderschön umschlossen, so daß man ihn nur gleich hätte so malen können. Die prallen Lenden traten prachtvoll hervor, desgleichen die Waden; der eng anliegende Stoff ließ alle Einzelheiten erkennen und verlieh den Gliedern eine noch größere Elastizität. Als Tschitschikow hinten die Schnalle zuzog, bekam sein Bauch Ähnlichkeit mit einer Trommel. Er klopfte mit der Bürste darauf und sagte: »Der dumme Bauch! Aber im ganzen bietet er doch ein malerisches Bild.« Der Frack war, wie es schien, noch besser gearbeitet als die Hosen: er warf auch nicht ein Fältchen; an den Seiten lag er glatt an; er schmiegte sich eng um die Taille und ließ sie in ihrer ganzen Biegsamkeit erkennen. Auf Tschitschikows Bemerkung, daß er ihn unter der rechten Achsel ein wenig kneife, lächelte der Schneider nur und erwiderte, infolgedessen sitze er um so besser in der Taille. »Was die Arbeit anlangt, so können Sie in dieser Hinsicht ganz beruhigt sein«, sagte er mit unverhohlenem Triumphe, »ganz beruhigt; außer in Petersburg wird nirgends so gut gearbeitet.« Der Schneider war selbst aus Petersburg und hatte auf seinem Schilde angegeben: »Ausländer aus London und Paris.« Er nahm diese Dinge sehr wichtig und wollte durch die Nennung dieser beiden Städte allen anderen Schneidern ein- für allemal den Mund stopfen, damit in Zukunft keiner derselben mit solchen Städten zu renommieren wagte; mochten sie doch auf ihre Schilder schreiben, daß sie aus Karlsruhe oder Kopenhagen seien.
    Tschitschikow bezahlte dem Schneider großmütig die Rechnung und betrachtete, sobald er allein geblieben war, sich mit Muße im Spiegel, con amore und mit dem ästhetischen Wohlgefallen eines Künstlers. Es ergab sich, daß alles fast noch schöner war als früher: die Bäckchen interessanter, das Kinn verführerischer; der weiße Kragen hob den Ton der Backen, die blaue Atlaskrawatte den Ton des Kragens, die neumodischen Falten des Vorhemdchens den Ton der Krawatte, die reiche Samtweste den Ton des Vorhemdchens, und der Frack von der Farbe »Rauch und Feuer von Navarino«, der wie Seide glänzte, hob den Ton des Ganzen. Er drehte sich rechts: sehr gut! Er drehte sich links: noch besser! Er hatte die Figur eines Kammerherrn oder sonst eines vornehmen Mannes, der gewandt französisch parliert und sogar im Zorn es sich nicht erlaubt, auf russisch zu schimpfen, sondern sich dazu des Französischen bedient: ein ganz besonderes Zartgefühl! Er versuchte, indem er den Kopf etwas zur Seite neigte, eine Positur anzunehmen, als ob er zu einer Dame in mittlerem Lebensalter und von modernster Bildung spräche: es kam ein geradezu entzückendes Bild heraus, man hätte am liebsten gesagt: »Künstler, nimm den Pinsel und male!« Vor Vergnügen führte er sogar einen kleinen Luftsprung nach Art eines Entrechats aus. Dabei zitterte die Kommode und ein Fläschchen mit Eau de Cologne fiel von ihr auf die Erde herunter; aber das beeinträchtigte seine fröhliche Stimmung nicht. Er nannte das törichte Fläschchen nur, wie sich das so gehörte, »dummes Ding« und dachte: »Bei wem werde ich mich jetzt zuerst zeigen? Das beste ist wohl, wenn ich …« Da ließ sich plötzlich im Vorzimmer ein Gepolter wie von Stiefeln mit Sporen vernehmen, und ein Gendarm

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