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Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikolai Gogol
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Adliger oder ein Kaufmann sein, eine etwas höhere Bildung besitzen und die Sache um seines Seelenheiles willen übernehmen. Ich war ganz starr vor Überraschung. ›Ach, mein Gott!‹ dachte ich. ›Das ist ja das Amt, das der Einsiedler für Semjon Semjonowitsch bestimmt hat. Das Umherreisen wird gegen seine Krankheit nützlich sein. Wenn er mit seinem Sammelbuche vom Gutsbesitzer zum Bauer und vom Bauer zum Kleinbürger geht, dann wird er erfahren, wie jeder von ihnen lebt, und was jeder von ihnen für Bedürfnisse hat; und wenn er dann wieder zurückkommt, nachdem er ein paar Gouvernements durchzogen hat, dann wird er Land und Leute besser kennen als alle die, die immer nur in Städten leben. Und solche Menschen können wir jetzt gut gebrauchen.‹ Der Fürst hat mir wiederholt gesagt, er würde wer weiß was dafür geben, wenn er einen Beamten bekommen könnte, der die Dinge nicht bloß aus den Akten kenne, sondern so wie sie in Wirklichkeit sind; denn aus den Akten könne man nichts ersehen, so verwirrt sei da alles.«
    »Sie haben mich vollständig in Bestürzung versetzt, mich ganz fassungslos gemacht, Afanasi Wasiljewitsch«, versetzte Chlobujew, ihn erstaunt anblickend. »Ich kann gar nicht glauben, daß Sie das alles zu mir sagen: dazu ist ein unermüdlicher, tatkräftiger Mensch nötig. Und dann: wie kann ich denn meine Frau und meine Kinder im Stich lassen, die nichts zu essen haben?«
    »Um Ihre Frau und Ihre Kinder brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen. Die nehme ich in meine Obhut, und einen Lehrer sollen Ihre Kinder auch haben. Es ist doch besser und anständiger, wenn Sie für Gott bitten, als wenn Sie mit dem Bettelsacke umherziehen und für sich selbst Almosen sammeln. Ich werde Ihnen einen einfachen Reisewagen geben; fürchten Sie sich nicht vor dem Rütteln: das wird für Ihre Gesundheit gerade ganz gut sein. Auch werde ich Ihnen Geld auf die Reise mitgeben, damit Sie unterwegs denen etwas geben können, die in besonders großer Not sind. Sie können da viele gute Werke tun; fehlgreifen werden Sie schon nicht; wem Sie etwas geben, der wird dessen schon würdig sein. Wenn Sie auf diese Art reisen, werden Sie die Bevölkerung gründlich kennenlernen; das wird eine andere Sache sein, wie wenn ein Beamter reist, vor dem sie alle eine Angst haben, und dem sie alles verheimlichen. Mit Ihnen dagegen werden die Leute sich gern in Gespräche einlassen, da sie wissen, daß Sie für die Kirche bitten.«
    »Ich sehe ein, daß das ein vorzüglicher Gedanke ist, und ich würde ihn gern, wenigstens zum Teil, zur Ausführung bringen; aber es scheint mir wirklich, daß das über meine Kräfte geht.«
    »Aber wozu reichen denn unsere Kräfte aus?« erwiderte Murasow. »Es gibt ja nichts, wozu sie ausreichend wären; es geht eben alles über unsere Kräfte. Ohne Hilfe von oben her können wir nichts ausrichten. Aber das Gebet verleiht Kraft. Der Mensch bekreuzt sich, sagt: ›Herr, erbarme dich!«, rudert los und arbeitet sich ans Ufer durch. Darüber soll man sich vorher gar nicht lange den Kopf zerbrechen; man muß es einfach als einen göttlichen Befehl hinnehmen. Der Reisewagen wird für Sie sofort bereit sein; laufen Sie nur schnell zum Vater Archimandriten, um das Sammelbuch in Empfang zu nehmen und sich von ihm segnen zu lassen, und machen Sie sich dann auf die Reise!«
    »Ich gehorche Ihnen und fasse es als einen Befehl Gottes auf.« – »O Gott, gib mir deinen Segen!« sagte er innerlich und fühlte, daß sein Herz sich mit Mut und Kraft zu erfüllen begann. Ja, auch sein Verstand schien zu erwachen, nun sich die Hoffnung auf einen Ausgang aus dieser traurigen Lage darbot. Es zeigte sich in der Ferne ein Lichtschimmer.
    Aber verlassen wir Chlobujew, und kehren wir wieder zu Tschitschikow zurück.
    Unterdessen gingen den Gerichten tatsächlich Eingaben über Eingaben zu. Es tauchten Verwandte auf, von denen bisher noch niemand gehört hatte. Wie die Raben sich um ein Aas sammeln, so strömten die Menschen von allen Seiten zu der gewaltigen Hinterlassenschaft der Alten zusammen. Es erfolgten Denunziationen gegen Tschitschikow, daß das letzte Testament gefälscht sei, Denunziationen, die dasselbe von dem ersten Testament behaupteten, Anzeigen über Entwendung und Verheimlichung größerer Geldsummen. Es liefen sogar Anzeigen gegen Tschitschikow ein wegen Ankaufs toter Seelen und wegen Beförderung von Schmugglerware während seiner Amtstätigkeit beim Zollamt. Alles mögliche wurde ausgegraben, seine

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