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Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikolai Gogol
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Fabrikdirektor war, hatte ich viele Arbeiter von verschiedener Art, teils schlechte, teils gute. Ich hätte da bei Vergehungen auch immer das frühere Leben des Betreffenden berücksichtigen sollen; denn wenn man nicht alles mit ruhigem Blute überlegt, sondern so einen gleich von vornherein anschreit, dann verängstigt man ihn nur und erlangt kein ordentliches Geständnis; aber wenn man ihn teilnahmsvoll fragt wie ein Bruder den andern, dann kommt er von selbst mit allem heraus und bittet nicht um Milderung der Strafe, fühlt auch keine Erbitterung gegen den Strafenden, weil er klar erkennt, daß nicht ich ihn bestrafe, sondern das Gesetz.
    Der Fürst versank in Nachdenken. In diesem Augenblick trat ein junger Beamter ein und blieb respektvoll mit seiner Aktenmappe an der Tür stehen. Auf seinem jungen, noch frischen Gesichte hatten stete Sorge und Arbeit ihre Spuren eingegraben. Man sah ihm an, daß er zu besonderen Aufträgen benutzt wurde und hierbei eifrig und erfolgreich tätig war. Es war dies einer der wenigen Beamten, die sich mit dem Prozeßwesen con amore beschäftigten. Er war nicht von brennendem Ehrgeiz und dem Wunsche, mit anderen zu wetteifern, erfüllt, trachtete auch nicht nach materiellem Gewinn, sondern er arbeitete auf diesem Gebiete nur deswegen, weil er davon überzeugt war, daß dieser Platz und kein anderer für ihn der richtige sei, und daß ihm die Vorsehung zu diesem Zwecke das Leben gegeben habe. Eine verwickelte Prozeßsache zu studieren, den leitenden Faden darin zu suchen, sie in ihre Teile zu zerlegen und völlig aufzuhellen, das war ihm die liebste Arbeit. Und für seine Mühen, Anstrengungen und schlaflosen Nächte fühlte er sich reichlich belohnt, wenn die Sache endlich seinem geistigen Auge durchsichtig zu werden begann, die verborgenen Triebfedern zutage traten und er sich bewußt wurde, daß er das Ganze in wenigen Worten klar und deutlich und für jedermann verständlich darzustellen vermochte. Man kann sagen, daß kein Schüler sich so freut, wenn sich ihm die Bedeutung eines sehr schwierigen Satzes erschließt oder ihm der wahre Sinn des Gedankens eines großen Schriftstellers aufgeht, wie er sich freute, wenn eine verwickelte Prozeßsache sich vor seinem Blicke entwirrte. Dafür …
[Hier ist im Manuskript eine große Lücke.]
    »… mit Brot nach den Gegenden, wo Hungersnot herrscht; ich verstehe mich darauf besser als die Beamten: ich will persönlich feststellen, was ein jeder nötig hat. Und wenn Euer Durchlaucht gestatten, will ich auch mit den Sektierern reden. Mit einem einfachen Manne, wie ich, lassen sie sich lieber in Gespräche ein, und vielleicht vermag ich mit Gottes Hilfe die Sache auf friedliche Weise in Ordnung zu bringen. Die Beamten aber verstehen das nicht: die müssen immer eine große Schreiberei machen, und dann ist auch ihr Blick durch die Akten so getrübt, daß sie das, was wirklich zugrunde liegt, nicht mehr ordentlich zu erkennen imstande sind. Geld verlange ich von Ihnen nicht; denn, weiß Gott, man müßte sich ja schämen, an seinen Vorteil zu denken in einer Zeit, wo die Menschen Hungers sterben. Ich habe noch einen Vorrat Getreide liegen, und zum nächsten Sommer wird neues herankommen.«
    »Diesen Dienst, den Sie mir leisten, kann Ihnen nur Gott vergelten, Afanasi Wasiljewitsch. Ich aber sage zu Ihnen kein Wort darüber; denn das werden Sie selbst fühlen: jedes Wort ist da matt und kraftlos. Aber gestatten Sie mir noch eine Bemerkung in betreff jener Bitte! Sagen Sie selbst: bin ich berechtigt, diese Sache so hingehen zu lassen, und ist es von meiner Seite gerecht und ehrenhaft, wenn ich den Schurken verzeihe?«
    »Durchlaucht, weiß Gott, so darf man sie nicht nennen, um so weniger, da sich darunter viele sehr achtungswerte Männer befinden. Mancher Mensch befindet sich in schwieriger Lage, Durchlaucht, in sehr, sehr schwieriger Lage. Manchmal scheint es, daß einer im höchsten Grade schuldig ist, und wenn man es dann näher ansieht, ist es gar nicht der Fall.«
    »Aber was werden diese Menschen selbst dazu sagen, wenn ich sie unbestraft lasse? Es sind ja unter ihnen manche, die nachher den Kopf noch höher tragen werden und sogar sagen werden, sie hätten mich eingeschüchtert. Sie werden die ersten sein, die keinen Respekt mehr vor mir haben werden …«
    »Durchlaucht, gestatten Sie mir, Ihnen meine Ansicht auszusprechen: rufen Sie sie alle zusammen, teilen Sie ihnen mit, daß Sie alles wüßten, stellen Sie ihnen Ihre eigene Lage in

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