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Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikolai Gogol
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immer auf demselben Platz und haben immer dieselbe Kopfhaltung; man könnte sie beinah für ein Möbelstück halten und glauben, daß seit ihrer Geburt noch nie ein Wort über ihre Lippen gekommen ist; aber in der Mädchenstube und in der Vorratskammer sind sie nicht wiederzuerkennen.
    »Die Kohlsuppe ist heute sehr gut, mein Herzchen«, sagte Sobakewitsch, nachdem er ein paar Löffel voll gegessen und sich von der Schüssel ein gewaltiges Stück Njanja hineingelegt hatte, jener bekannten Speise, die zur Kohlsuppe gegeben wird und aus Hammelmagen, gefüllt mit Buchweizengrütze, Gehirn und knorpligem Fleische, besteht. »Eine solche Njanja«, fuhr er, sich zu Tschitschikow wendend, fort, »werden Sie in der Stadt nicht zu essen bekommen; da setzt man Ihnen weiß der Teufel was vor!«
    »Beim Gouverneur war aber doch der Tisch nicht übel bestellt«, sagte Tschitschikow.
    »Aber wissen Sie wohl, woraus das alles zubereitet wird? Sie werden es nicht mehr essen, wenn Sie es erfahren.«
    »Wie es zubereitet wird, weiß ich nicht; darüber kann ich nicht urteilen; aber die Schweinekoteletts und die gekochten Fische waren doch vorzüglich!«
    »Das ist Ihnen nur so vorgekommen. Ich weiß ja, was die auf dem Markte einkaufen. Da kauft diese Kanaille von Koch, der bei einem Franzosen gelernt hat, eine Katze, zieht ihr das Fell ab und gibt sie als Hasen auf den Tisch.«
    »Pfui, was redest du da für häßliche Dinge!« sagte Sobakewitschs Frau.
    »Aber was willst du, mein Herzchen! So geht es bei denen zu; ich kann nichts dafür; so geht es bei denen allen zu. Allen Abfall, den unsere Akulja, mit Verlaub zu sagen, in den Schmutzkübel wirft, den tun sie in die Suppe, jawohl in die Suppe! Immer hinein damit!«
    »Daß du doch immer bei Tisch so etwas erzählst!« bemerkte seine Frau wieder abwehrend.
    »Was willst du, mein Herzchen«, versetzte Sobakewitsch, »ja, wenn ich es selbst so machte; aber ich sage dir geradezu, daß ich nichts Ekelhaftes esse. Du kannst mir einen Frosch mit Zucker kandieren, ich nehme ihn nicht in den Mund: und Austern nehme ich auch nicht in den Mund; ich weiß nur zu gut, womit so eine Auster Ähnlichkeit hat. Nehmen Sie doch von dem Hammel!« fuhr er, sich zu Tschitschikow wendend, fort. »Da ist ein Hammelviertel mit Grütze. Das ist nicht so ein Frikassee, wie sie es in den herrschaftlichen Küchen aus Hammelfleisch herstellen, das sich schon vier Tage lang auf dem Markte herumgetrieben hat. Das haben alles die deutschen und französischen Ärzte ausgedacht; ich möchte sie am liebsten dafür aufhängen. Die haben die Diät erfunden, das heißt die Hungerkur! Weil sie selbst so eine deutsche dünnflüssige Körperbeschaffenheit haben, so bilden sie sich ein, sie könnten auch mit einem russischen Magen zurechtkommen! Nein, das ist nicht das Richtige; das sind alles wertlose Einfälle; das ist alles …« Hier schüttelte Sobakewitsch zornig mit dem Kopfe. »Da schwatzen sie immer von Aufklärung und Aufklärung, aber diese Aufklärung ist … Dreck! Ich hätte einen stärkeren Ausdruck gebraucht, aber der hätte sich bei Tische nicht geschickt. Bei mir geht das anders zu. Wenn es bei mir Schwein gibt, dann wird das ganze Schwein auf den Tisch gebracht, und ebenso bei Hammel der ganze Hammel und bei Gans die ganze Gans. Ich will lieber nur zwei Gerichte essen, aber so viel wie mein Herz verlangt.« Sobakewitsch bekräftigte das durch die Tat: er legte sich das halbe Hammelviertel auf den Teller, aß es ganz auf und benagte und beleckte auch noch den letzten Knochen.
    »Ja«, dachte Tschitschikow, »der versteht sich darauf, gut und reichlich zu essen.«
    »Bei mir geht es anders zu«, sagte Sobakewitsch, indem er sich die Hände an der Serviette abwischte, »bei mir geht es anders zu als bei einem gewissen Pluschkin: der hat achthundert Seelen, lebt und ißt aber schlechter als mein Viehhirt.«
    »Was ist dieser Pluschkin für ein Mensch?« fragte Tschitschikow.
    »Ein Schurke«, antwortete Sobakewitsch. »Ein solcher Geizhals, wie man es sich kaum vorstellen kann. Die Häftlinge im Gefängnisse leben besser als er; alle seine Leute läßt er Hungers sterben.«
    »Wirklich?« fiel Tschitschikow mit lebhafter Teilnahme ein. »Und Sie meinen, daß seine Leute tatsächlich in großer Anzahl sterben?«
    »Wie die Fliegen sterben sie.«
    »Wirklich wie die Fliegen? Aber gestatten Sie mir die Frage: wie weit wohnt er von Ihnen entfernt?«
    »Fünf Werst.«
    »Fünf Werst!« rief Tschitschikow und

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