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Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikolai Gogol
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die Farbe eines Bärenpelzes hatte, und lange Beinkleider; er ging in plumpen Bastschuhen, machte schiefe und schräge Schritte und trat fortwährend anderen Leuten auf die Füße. Seine Gesichtsfarbe war glühendrot wie eine neugeprägte Kupfermünze. Bekanntlich gibt es auf der Welt viele solche Gesichter, bei deren Herstellung die Natur nicht lange geklügelt und keine feineren Instrumente, wie Grabstichel, Feilen, kleine Bohrer und dergleichen, benutzt hat, sondern sich eines recht groben Verfahrens bedient hat: sie schlug einmal mit dem Beil zu, da war die Nase fertig; sie schlug ein zweites Mal zu, da waren die Lippen da; mit einem großen Bohrer machte sie die Löcher für die Augen; und ohne das Ganze erst noch abzuschaben, schickte sie dieses Produkt auf die Welt und sagte: »Er lebe!« Einen solchen kräftigen, grob zugehauenen Kopf hatte auch Sobakewitsch, und zwar hielt er ihn häufiger gesenkt als aufgerichtet; den Hals drehte er überhaupt nicht und sah infolge dieser Unbeweglichkeit denjenigen, mit dem er redete, nur selten an; meist blickte er nach einer Ecke des Ofens oder nach der Tür. Tschitschikow schaute ihn noch einmal von der Seite an, als sie durch das Eßzimmer gingen: »ein Bär, ein richtiger Bär!« sagte er bei sich. Ein sonderbares Zusammentreffen aber war, daß er sogar Michail [5]   Semjonowitsch hieß. Da Tschitschikow die Gewohnheit seines Wirtes, anderen auf die Füße zu treten, kannte, so bewegte er sich mit den seinigen sehr vorsichtig und ließ ihn vorangehen. Der Wirt schien sich dieser seiner Sünde selbst bewußt zu sein und fragte sogleich: »Bin ich Ihnen auch nicht zu nahe gekommen?« Aber Tschitschikow erwiderte dankend, daß noch nichts Derartiges geschehen sei.
    Als sie in den Salon gekommen waren, zeigte Sobakewitsch auf einen Lehnstuhl und sagte wieder: »Ich bitte.« Nachdem Tschitschikow sich gesetzt hatte, blickte er nach den Wänden und den daran hängenden Bildern. Auf den Bildern waren lauter kräftige Männer, lauter griechische Anführer, in Lebensgröße dargestellt: Mawrokordatos in Uniform mit roten Beinkleidern und mit einer Brille, Miaulis, Kanaris. Alle diese Helden hatten so dicke Lenden und so unerhörte Schnurrbärte, daß einem bei dem bloßen Anblick ein Zittern über den Leib lief. Unter den starken Griechen hatte, ohne daß man sagen konnte wie und warum, auch der dünne, magere Bagration einen Platz gefunden, mit kleinen Fahnen und Kanonen unten und in einem sehr engen Rahmen. Dann folgte wieder die griechische Heldin Bobelina, bei der schon allein die Beine länger erschienen als der ganze Körper jener Stutzer, die unsere heutigen Salons anfüllen. Der Hausherr, der selbst ein gesunder, kräftiger Mann war, schien zu wünschen, daß auch die Bilder kräftiger, gesunder Menschen seinem Zimmer zum Schmucke gereichten. Neben der Heldin Bobelina hing dicht am Fenster ein Käfig, aus welchem eine dunkelfarbige, weißgetüpfelte Drossel heraussah, die ebenfalls eine große Ähnlichkeit mit Sobakewitsch hatte. Der Gast und der Wirt hatten noch nicht zwei Minuten lang geschwiegen, als sich die Tür öffnete und die Hausfrau eintrat, eine sehr hochgewachsene Dame mit einer Haube, deren Bänder im Hause gefärbt waren. Sie trat gemessenen Ganges herein, gerade aufgerichtet wie eine Palme, mit erhobenem Kopfe.
    »Das ist meine Feodulija Iwanowna«, sagte Sobakewitsch. Tschitschikow küßte ihr die Hand, die sie ihm beinahe zwischen die Lippen hineinschob, wobei er Gelegenheit hatte zu bemerken, daß sie sich die Hände mit Gurkenlake gewaschen hatte.
    »Mein Herzchen, ich stelle dir Pawel Iwanowitsch Tschitschikow vor«, fuhr Sobakewitsch fort, »ich habe beim Gouverneur und beim Polizeimeister die Ehre gehabt, seine Bekanntschaft zu machen.«
    Feodulija Iwanowna bat, Platz zu nehmen, indem sie ebenfalls »Ich bitte« sagte und eine Kopfbewegung machte, wie man sie bei Schauspielerinnen sieht, welche Königinnen darstellen. Darauf setzte sie sich auf das Sofa, hüllte sich in ihr Merinotuch ein und bewegte weder die Augen noch die Augenbrauen mehr.
    Tschitschikow hob die Augen wieder in die Höhe und erblickte wieder Kanaris mit den dicken Lenden und dem endlosen Schnurrbart, die Heldin Bobelina und die Drossel im Käfig.
    Fast ganze fünf Minuten lang beobachteten alle Stillschweigen; man hörte nur das Pochen, das durch den Schnabel der Drossel an dem Holze des Käfigs hervorgebracht wurde, auf dessen Boden sie Getreidekörner aufpickte.

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