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Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikolai Gogol
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zu dieser Zeit, daß sein Sohn beim Kartenspiel sein ganzes Geld verlor; er sandte ihm von Herzen seinen väterlichen Fluch und interessierte sich von da an gar nicht mehr dafür, zu erfahren, ob er noch auf der Welt sei oder nicht. Mit jedem Jahre wurde eine neue Anzahl von Fenstern in seinem Hause geschlossen; zuletzt blieben nur noch zwei übrig, von denen das eine, wie der Leser schon gesehen hat, mit Papier verklebt war; mit jedem Jahre schwanden ihm wichtige Teile der Wirtschaft mehr und mehr aus den Augen, und sein kleinlicher Blick wandte sich den Papierblättchen und Federchen zu, die er in seinem Zimmer vom Boden aufhob und sammelte; er wurde gegen die Aufkäufer unzugänglicher, welche zu ihm kamen, um ihm seine landwirtschaftlichen Produkte abzukaufen: die Aufkäufer handelten und handelten mit ihm und gaben ihn zuletzt ganz auf; »er ist nicht ein Mensch, sondern geradezu ein Teufel«, sagten sie von ihm. Sein Heu und sein Getreide verfaulten; die Getreide- und Heuschober verwandelten sich in reinen Mist, man hätte Kohl auf ihnen bauen können; das Mehl in den Kellern wurde zu Stein, und man mußte es mit dem Beile zerschlagen; die in Hausarbeit hergestellten Tuch- und Leinwandballen mußte man sich fürchten auch nur zu berühren: sie zerfielen in Staub. Er hatte schon selbst vergessen, wieviel er an solchen Dingen besaß, und erinnerte sich nur, an welcher Stelle in seinem Schranke eine Karaffe mit einem Reste Likör stand, an der er selbst ein Zeichen gemacht hatte, damit niemand diebischerweise davon tränke, und wo ein Federchen oder ein Stückchen Siegellack lag. Dabei aber gingen in der Wirtschaft die Einnahmen ein wie früher. Der Bauer mußte ebensoviel Abgabe bezahlen; jede Bauerfrau war immer noch verpflichtet, dasselbe Quantum Nüsse zu liefern; die Weberin mußte ebenso viele Stücke Leinwand entrichten. All das wurde in den Vorratskammern aufgespeichert und verdarb und verfaulte, und auch er selbst wurde schließlich zu einem kläglichen Überbleibsel von einem Menschen. Alexandra Stepanowna kam ein paarmal mit ihrem kleinen Sohne angereist, um zu versuchen, ob sie nicht etwas erreichen könne; offenbar war das Wanderleben mit dem Stabsrittmeister doch nicht so reizvoll, wie es ihr vor der Hochzeit erschienen war. Pluschkin verzieh ihr und gab sogar dem kleinen Enkel einen Knopf zum Spielen, der auf dem Tische lag; aber Geld gab er ihr keines. Ein andermal kam Alexandra Stepanowna mit zwei Kindern und brachte ihm ein Osterbrot zum Tee und einen neuen Schlafrock mit, weil Väterchens Schlafrock sich in einem solchen Zustande befinde, daß man sich genieren, ja sich geradezu schämen müsse, ihn anzusehen. Pluschkin liebkoste die beiden Enkel, setzte den einen auf sein rechtes, den anderen auf sein linkes Knie und schaukelte sie darauf ganz so, wie wenn sie auf Pferden ritten; das Osterbrot und den Schlafrock nahm er an, gab aber seinerseits der Tochter nicht das geringste; Alexandra Stepanowna mußte unverrichteter Sache wieder abreisen.
    Von dieser Art also war der Gutsbesitzer, der jetzt vor Tschitschikow stand! Man muß sagen, daß eine solche Erscheinung einem in Rußland nur selten begegnet, wo man es im ganzen mehr liebt, großartig aufzutreten als sich zusammenzukrümmen; und ein solcher Geiz wirkt um so überraschender, wenn einem gleich in der nächsten Nähe desselben ein anderer Gutsbesitzer vorkommt, der ganz in der typischen flotten Manier eines russischen Edelmannes lebt und sein Geld mit vollen Händen aus dem Fenster wirft. Ein unerfahrener Reisender macht beim Anblick seiner Behausung verwundert halt und ist erstaunt, was für ein mächtiger Fürst da auf einmal unter die kleinen, unbekannten Grundbesitzer geraten ist: wie Paläste sehen seine weißen, steinernen Häuser aus mit der zahllosen Menge von Schornsteinen, Belvederes und Wetterfahnen, umgeben von vielen Nebengebäuden und allerlei Baulichkeiten zur Unterbringung von Gästen. Was ist da nicht alles zu finden? Theatervorstellungen und Bälle; der Garten strahlt die ganze Nacht hindurch von Lichtern und Illuminationslämpchen und wird von rauschender Musik durchtönt. Die halbe vornehme Welt der Gouvernementsstadt promeniert schön geputzt und in fröhlicher Stimmung unter den Bäumen, und niemandem kommt die wilde Drohung in dieser übertriebenen Beleuchtung zum Bewußtsein, wenn aus dem Baumdickicht in theatralischer Weise ein von dem künstlichen Licht erhellter, seines hellen Grüns beraubter Ast vorspringt und

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