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Die Toten Vom Karst

Die Toten Vom Karst

Titel: Die Toten Vom Karst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
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ab, Laura! Es ist immer das gleiche! Warum zum Teufel können wir das nicht besprechen?«
    Sie hatte ihm den Rücken zugedreht und schwieg.
    »Ich habe dich etwas gefragt, Laura!« Er war weiß vor Wut.
    Laura atmete tief. »Wir sprechen morgen drüber, Proteo. Ich muß jetzt schlafen«, sagte sie mit leiser Stimme.
    Er schlug die Tür hinter sich zu, daß die Wände bebten, und ging in die Küche. Er schenkte sich ein Glas Rotwein ein, dann ein zweites und entspannte sich nur langsam. Auch am Morgen danach herrschte dicke Luft, er war beleidigt, sprach kaum mit seiner Frau, die wie immer freundlich war, aber verschlossener als sonst. Dann ging er wieder ins Büro und Laura ging wieder ans Meer.
     
    Ja, dachte Proteo Laurenti, damals muß das begonnen haben. Sie schwiegen den ganzen Sommer darüber, Proteo blieb einsilbig und eingeschnappt. Laura hätte sich zumindest bei ihm entschuldigen können.
    Er sah das Tramezzino in seiner linken Hand, die Finger hatten sich tief ins labbrige Weißbrot-Dreieck gegraben. Mit dem zweiten Bissen mußte er das von der Soße aufgeweichte Weißbrot mit beiden Händen festhalten, die Gamberi in salsa rosa quollen zwischen seinen Fingern heraus und fielen auf seine Hose. Wütend knallte er das Tramezzino auf den Schreibtisch, wo es auseinanderfiel und dicke Fettflecken auf einem Aktendeckel hinterließ. Er fand kein Papiertaschentuch in seiner Tasche, raste durch das Vorzimmer hinaus in Richtung Toilette. In diesem Moment kam Marietta vom Mittagessen zurück und erkannte auf den ersten Blick, daß mit ihrem Chef etwas nicht stimmte.
    »Proteo, was hast du? Du bist ganz weiß im Gesicht!« sagte sie besorgt.
    »Geh weg!« Er schob sie grob zur Seite und raste auf den Flur hinaus. Auf der Toilette versuchte er seine Hose mit Papierhandtüchern und warmem Wasser zu reinigen. Ein großer dunkler Wasserfleck machte sich auf dem beigefarbenen Stoff breit, als hätte er in die Hose gepißt. Laurenti fluchte unablässig, und mit jedem Fluch, den er ausstieß, nahm endlich auch seine Wut ab.
    Bevor er wieder auf den Flur hinaustrat, vergewisserte er sich, daß ihm niemand entgegen kam. Er rannte hinüber in sein Büro.
    »War nicht so gemeint, Marietta«, sagte er, als er zurückkam.
    »Und was ist das?« fragte sie und deutete auf den dunklen Fleck auf seiner Hose.
    »Kann jedem mal passieren!«
    »In deinem Alter, Proteo?« rief sie hinter ihm her und meinte, sie könnte ihn damit aufheitern.
    Er kam mit dem Aktendeckel zurück, auf dem die Reste des Tramezzinos lagen.
    »Hast du ein Papiertaschentuch?«
    »Ach, gekotzt hast du auch?« Marietta sah die Bescherung und kramte in ihrer Handtasche. »Ich habe dir immer gesagt, du sollst zum Mittagessen kommen. Da passiert dir sowas nicht.«
    »Und Laura sagt mir immer, Mayonnaise sei nicht gut für den Cholesterinspiegel. Ich finde das toll, wie immer alle wissen, was ich tun soll. Vielen Dank!«
     
    In dem Moment, als Marietta die Augenbrauen hob und ihren mahnenden mütterlichen Blick aufsetzen wollte, um ihrem Chef zu sagen, daß er wieder einmal übertreibe, brach draußen ein Höllenlärm los. Stimmengewirr, Geschrei, begleitet von einem heftigen Knall, dem keine Stille folgte.
    Laurenti stürzte zur Tür und sah am Ende des langen Flurs vor dem Betrugsdezernat eine Gruppe von fünf, sechs stummen und regungslosen Chinesen, umringt von Polizisten, einige aufgeregt schreiende Italiener und eine Menge uniformierter Beamter in einem wilden Durcheinander. Das Glas der Flurtür war geborsten, die Splitter knirschten auf dem Steinboden. Die Beamten versuchten Ordnung herzustellen, drückten die jungen Leute an die Wand, Laurenti sah Handschellen blitzen. Das Geschrei brach dennoch nicht ab. Laurenti blieb vor seiner Bürotür stehen und versuchte aus den Wortfetzen zu begreifen, was vor sich ging. Alle Kollegen dieser Etage standen inzwischen neugierig im langen neonbeleuchteten Flur der dritten Etage der Kriminalpolizei.
    »Rassisten!« brüllte einer aus der Gruppe. »Das ist Faschismus!« ein anderer. »Wir lassen uns nicht die Diskriminierung der ganzen chinesischen Gemeinde gefallen!« kreischte eine junge Frau. Laurenti mußte sie schon einmal gesehen haben. War sie nicht eine der beiden Freundinnen seines Sohnes? »Italien ist kein Polizeistaat!«
    Die Chinesen selbst blieben stumm und ausdruckslos in ihrer Ecke stehen, halb verdeckt durch die breiten Rücken von acht uniformierten Beamten. Der junge Kollege des Betrugsdezernats stand

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