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Die Toten Vom Karst

Die Toten Vom Karst

Titel: Die Toten Vom Karst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
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vor der Gruppe und herrschte die kreischenden jungen Italiener an, sie sollten endlich still sein. Um so lauter er brüllte, um so mehr er drohte, desto stärker wurde deren Geschrei.
    »Basta! Ruhe!« brüllte Laurenti aus Leibeskräften und trat mit aller Kraft gegen die Tür eines Metallschranks, der krachend umfiel und eine Menge Papier in heillosem Durcheinander aus den Fächern spuckte. Er hatte Erfolg. Auf einen Schlag herrschte Stille.
    »Was glaubt ihr eigentlich, wo ihr hier seid?« Laurenti ging langsam auf die Gruppe zu. »Ist das ein Bordell oder ein Gebäude der Polizia di Stato? In einem Polizeistaat wärt ihr längst im Knast! Und jetzt will ich keinen Mucks mehr hören!«
    Die Beamten rückten auseinander, gaben den Blick frei auf die Chinesen auf der linken Seite des Flurs und die jungen Italiener rechts.
    »Also was ist hier los?« fragte Laurenti.
    »Wir haben noch ein Restaurant durchsucht in der Via Brunner. Verdacht auf verbotenes Glücksspiel. Aber die Jugendlichen haben sich eingemischt. Also haben wir alle hergebracht«, berichtete Rosso, der Betrugskollege, gehorsam.
    »Leiser war das wohl nicht möglich?«
    Aus der Gruppe der jungen Italiener drang ein Kichern, das kurz darauf zum lauten Lachen wurde. »Der hat sich voll gepißt!« hörte er plötzlich. »Der Polizist hat sich in die Hose gemacht!«
    Er schaute an sich hinunter und sah den großen dunklen Heck auf seiner Hose.
    »Na und?« schnauzte er. »Hat irgend jemand etwas dagegen einzuwenden? Du dahinten, versteck dich nicht hinter den anderen.«
    Einer der Schüler versuchte sich zwischen den Beinen der anderen davonzumachen, und es wäre ihm auch beinahe gelungen, hätte Laurenti ihn nicht entdeckt.
    »Steh auf!« schrie Laurenti ihn an.
    Er erstarrte als er das bange Gesicht seines Sohnes zwischen den anderen auftauchen sah. Laurenti wich das Blut aus den Wangen.
    »Tun Sie Ihre Arbeit«, sagte er schließlich mit leiser Stimme zu seinem Kollegen und stürmte mit zornesweißem Gesicht unter neugierigen Blicken den Flur hinunter, stieg über den Blechschrank und die über den Boden verstreuten Akten und ging zurück in sein Büro. Die Tür fiel mit einem lauten Knall hinter ihm ins Schloß.
     
    Proteo Laurenti trommelte nervös mit den Fingern auf den Schreibtisch. Dann griff er zum Telefon und wählte wütend und entschlossen die verdammte Telefonnummer in San Daniele. Seine Schwiegermutter sagte, Laura sei zum Einkaufen ins Städtchen gefahren. Nein, antwortete Laurenti, er hätte nichts auszurichten, legte auf und wählte ihre Handynummer. Laura meldete sich nach dem sechsten Klingeln.
    »Wie geht’s, Proteo?«
    »Mäßig, und dir?«
    »Es geht so.«
    »Wann kommst du zurück?«
    »Ich weiß es nicht, Proteo. Laß mir Zeit.«
    »Dein Sohn ist verhaftet worden. Es geht hier drunter und drüber, zu Hause ersticken wir im Müll, ich schaff das nicht allein.«
    »Marco verhaftet? Weshalb? Was ist los?«
    »Keine Ahnung. Ich weiß es noch nicht. Irgend etwas mit den Chinesen.«
    »Chinesen? Was für Chinesen?«
    »Die Chinesen in der Stadt! Betrug, Schwarzarbeit, Menschenhandel, was weiß denn ich. Ich habe es soeben erfahren, Laura! Der Junge braucht dich! … und ich auch!«
    »Wann weißt du, was los ist?«
    »Hoffentlich bald.«
    »Ruf mich sofort an, Proteo! Versprich mir das.«
    »Wann kommst du zurück?«
    »Ich weiß es nicht. Ich sag’s dir später. Ich muß jetzt Schluß machen. Die Batterie ist am Ende. Ruf mich gleich an, wenn du was weißt!«
    »Bist du alleine?«
    »Proteo, was soll das? Laß uns später darüber reden!«
    »Laura, ich liebe dich! Komm zurück! Ich bitte dich!«
    »Bis später, Proteo. Ich kann jetzt nicht reden. Ich bin in einem Geschäft in San Daniele.«
    »Bis später.« Er legte unzufrieden auf, nahm den Hörer aber gleich wieder ab und wählte die Nummer von Rosso.
    »Mein Sohn ist bei Ihnen, Rosso. Was liegt gegen ihn vor?«
    »Ihr Sohn?« Rosso klang aufrichtig erstaunt. »Das wußte ich nicht. Wir sind noch dabei, die Personalien aufzunehmen.«
    »Kommen Sie doch bitte einen Augenblick rüber und erzählen Sie mir was los ist.«
    »Ich bringe ihn gleich mit.«
    »Nein, Rosso! Ich möchte zuerst mit Ihnen alleine sprechen.«
    Laurenti war zwar Rossos Vorgesetzter, aber es war nicht seine Art, die Leute zu sich zu rufen. Doch in dieser Sache wollte er nicht noch einmal in die Untersuchung platzen. Und sein Sohn sollte zumindest am Anfang keine Sonderbehandlung erhalten. Wenn es sein müßte,

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