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Die Toten Vom Karst

Die Toten Vom Karst

Titel: Die Toten Vom Karst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
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das damals abgelegt wurde und an das sie sich bis heute so gut wie alle halten. Du weißt, die Partei stand über allem, auch über dem Leben eines einzelnen. Von denen hat fast nie jemand geredet. Und in diesem Fall wäre der Mörder auf der damaligen Täterseite zu suchen. Das wird dann wesentlich schwieriger für dich. Mich würde zuerst interessieren, ob er Italiener oder Slawe ist, dann ob Faschist oder Kommunist. Und dann würde ich unter seinen Bekannten suchen.«
    »Ich brauche sein Foto für die Zeitung«, sagte Laurenti. »Wenn er aus der Gegend ist, sind wir ziemlich bald um einiges schlauer. Nur, was ist, wenn das jemand so inszeniert hat, um eine falsche Fährte zu legen?«
    »Dann hast du’s einfacher! Dann ist es ein Fall wie jeder andere. Aber das ist absolut unwahrscheinlich!« Galvano steckte sich eine neue Zigarette an, Laurenti lehnte ab.
    »Warum?«
    »Weil ich wetten würde, daß keine zehn jüngeren Leute in der Stadt wissen, wie die das damals gemacht haben. Das war einmal eine ganz klassische Foltermethode, die Jungen interessieren sich nicht mehr für die Geschichte.«
    »Und die Alten?«
    »Vergiß sie. Alte Leute sind zu schwach dafür. Das waren jüngere, zwei oder drei. Alte hätten weder das Gestell aufrichten, noch den Mann draufbinden können.«
    Sie bogen auf die Via Nazionale und kamen nach Opicina, wo kurz vor Mittag viele Autos in der zweiten Reihe vor den Lebensmittelgeschäften parkten. Sie kamen nur im Schritttempo voran.
    »Hast du eigentlich was von deiner Frau gehört?«
    Verdammt, Laurenti spürte einen Stich im Herzen. Warum mußte Galvano jetzt damit anfangen? Den ganzen Morgen hatte er keine Zeit gehabt, sich zu grämen. Und jetzt fuhren sie durch Opicina, hatten den Ortskern gerade hinter sich, fuhren parallel zur Straßenbahnlinie und genau in der nächsten Seitenstraße wohnte das Schwein Pietro.
    »Doktor, biegen Sie doch kurz rechts ab. In die Via Carsia.«
    »Warum denn das?« Galvano schaute ihn neugierig an.
    »Ich muß dort etwas nachsehen. Fahren Sie langsam.«
    Galvano fuhr in die Via Carsia, wie Laurenti es wollte. Hier standen die Villen vieler wohlhabender Leute, wenige schöne Häuser, viele moderne Bungalows mit perfekt gepflegten, langweiligen Vorgärten, von Pinien durchsetzt, und der Rasen wie mit der Nagelschere gemäht.
    »Was suchst du hier in dieser Spießerstraße?« fragte Galvano.
    »Halten Sie doch bitte dort vorne an der Nummer 43. Ich komme gleich wieder.«
    Galvano sah Laurenti ein Stück weiter gehen und durch das schmiedeeiserne Einfahrtstor eines Grundstücks schauen. Dann sah er, wie Laurenti Briefe aus dem Briefkasten zog, sie durchblätterte und wieder hineinstopfte. Er kam schnell zurück.
    »Danke! Das war’s schon.«
    »Und was hast du gesehen?«
    »Nichts.«
    »Also, sag schon!«
    »Nichts, Doktor, wirklich nichts Wichtiges.«
    »Hast du einen Kunden hier oben? Irgend jemand der etwas ausgefressen hat.«
    »Nein. Ich wollte sehen, ob zufällig Lauras Wagen da ist.«
    »Aha?«
    »Er war nicht da.«
    »Und warum sollte er da stehen?«
    »Weil Pietro dort wohnt.«
    »Und bist du jetzt zufrieden?«
    »Nein. Da steckt die Post seit Montag im Kasten. Das heißt, auch Pietro ist nicht da.«
    »Ach, und jetzt tobst du, Laurenti? Denkst, der Kerl ist bei deiner Frau, nicht wahr?«
    »Davon gehe ich aus. Geben Sie mir eine Zigarette?«
    Galvano hielt ihm die Packung hin. »Du kannst nichts machen! Das macht einen Mann wie dich natürlich fertig. Du mußt das aushalten, es bleibt dir nichts anderes übrig.«
    Proteo Laurenti hörte nicht auf ihn, nahm sein Mobiltelefon und wählte die Nummer seiner Schwiegermutter in San Daniele. Er ließ lange läuten, niemand nahm den Hörer ab.
    »Und?« fragte Galvano, als sie am Obelisken ankamen und der Blick auf die Stadt unten frei war, deren vom abtauenden Schnee nasse Dächer in der Sonne funkelten.
    »Nichts«, antwortete Proteo und starrte zum Seitenfenster hinaus.
    »Such dir ein bißchen Abwechslung, Laurenti! Du mußt deine Energie verteilen und dich nicht verrückt machen lassen!«
    Laurenti schaute zum Fenster hinaus, auf Triest hinunter.
    »Die Wagenspuren, Galvano, an der Foiba: von welchem Fahrzeug-Typ stammen die?«
    »Die Spurensicherung wird’s ganz schnell wissen. Bald schon. Am Nachmittag müßten die soweit sein.«
    »Kleinwagen, sagten Sie?«
    »Ja, Fiat, Volkswagen oder sowas Japanisches. Hast du Lust auf ein Mittagessen, Laurenti? Vielleicht wieder gutes chinesisches

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