Die Toten Vom Karst
voran.« Er nahm die Tüte. »Sie werden es rechtzeitig erfahren. Arrivederci!«
Als er die Straßenseite wechselte, ärgerte er sich, daß er die Guati bei ihr gekauft hatte. Der Moment war nicht der richtige sagte er zu sich, ich muß besser aufpassen. Dann ging er ins Gebäude der Guardia di Finanza, ließ sich anmelden, saß wenig später Tozzi an dessen Schreibtisch gegenüber und legte die weiße Plastiktüte mit den Fischen darauf. Tozzi schaute sie fragend an und schnüffelte wie ein Hund, der eine Fährte aufnahm.
»Guati! Es gab Guati. Ich esse sie für mein Leben gern«, sagte Laurenti.
»Ach deshalb«, antwortete Tozzi. »Ob die bei dem Geruch noch gut sind?«
»Sie sind ganz frisch. Aus der Lagune von Grado. Aber deshalb bin ich nicht gekommen, Tozzi, ich brauche Ihre Unterstützung. Es geht um die Marasi und ihren Vater. Ich möchte, daß Sie den Laden auseinandernehmen.«
Er erzählte in knappen Worten, was er am frühen Morgen entdeckt hatte, und sie waren sich schnell darüber einig, daß ausreichend Verdacht bestand, der Sache auf den Grund zu gehen. Auch wenn sie den Inhalt des Beutels noch nicht kannten, reichte es aus, um Nicoletta schwer unter Druck zu setzen.
»Ich werde gleich mit dem Untersuchungsrichter sprechen«, sagte Tozzi schließlich. »Wir brauchen zuerst Zugang zu den Konten von Nicoletta Marasi. Und die des Alten auch. Nur, Laurenti, wenn wirklich was dran ist, dann wird das eine höllische Arbeit: ich rechne nicht damit, daß das Geld per Überweisung im Inland fließt. Entweder bar oder in der Schweiz oder in einem anderen Land mit entsprechend lockeren Banksitten. Wenn, dann geben uns die hiesigen Konten höchstens sehr verborgen Aufschluß – kleinere unerklärbare Beträge ohne Gegenbuchung vielleicht. Schnell geht das nicht. Ich schlage vor, daß wir anfangs im Verborgenen ermitteln, also zuerst die Konten in den Banken einsehen, ohne daß Nicoletta etwas davon erfährt. Heute ist Freitag. Freunde werden wir uns diesmal noch weniger machen als sonst, denn da werden einige Filialleiter Überstunden machen oder gar das Wochenende opfern müssen, wenn wir heute nachmittag anrücken.«
»Und die Geschäfte des jungen Gubian? Schauen Sie diese unter den neuen Aspekten auch noch einmal an?«
Tozzi schüttelte den Kopf. »Die sind absolut sauber, wie ich Ihnen bereits sagte. Geradezu vorbildlich, wie der seinen Laden führte. Auch die Privatkonten. Und dann fehlte bei dem sogar etwas, was sonst oft genug zu finden ist: Schenkungen von den Eltern. Das verwundert natürlich nicht, wenn man die Hintergründe kennt. Die einzigen Überweisungen innerhalb der Familie gingen regelmäßig von ihm zu seinem Vater.«
»Na gut«, was blieb ihm anderes übrig, als Tozzi zu trauen. Buchhaltung hatte ihn schon immer gelangweilt. »Wann fangen Sie an?«
»Gleich. Wenn ich den Untersuchungsrichter erwische, dann sind wir zwei Stunden später in den Banken.«
»Vielen Dank, Tozzi.« Laurenti gab ihm die Hand und war schon zur Tür raus, als er den Kollegen rufen hörte.
»Laurenti! Ihre Fische!« Mit spitzen Fingern reichte ihm Tozzi die Plastiktüte.
Wenig später saß Proteo Laurenti bei der Guardia Costiera seinem Freund Ettore Orlando gegenüber, doch diesmal waren die Rollen wieder richtig verteilt. Orlando saß tief in seinem Prachtsessel, der unter seinem Gewicht ächzte.
»Hast du was von Laura gehört?«
Proteo Laurenti winkte ab. »Ja. Wir haben uns am Telefon gestritten.«
»Trottel! Weshalb?«
»Zuerst fragte ich sie, ob Pietro bei ihr sei, daraufhin fragte sie mich, mit wem ich gesehen wurde, und machte mir eine Szene, als wäre ich es, der sie betrügt.«
»Mit wem?«
»Mit Živa Ravno.«
»Wer?«
»Das ist diese kroatische Staatsanwältin aus Pola, die zur Zeit hier ist.«
»Ach! Und mit der gehst du aus? Da steht doch mindestens die Hälfte aller Kollegen Schlange, ohne eine Chance zu haben. Und sie sucht sich ausgerechnet den gehörnten Ehemann aus. Complimenti, Proteo. Du bist ganz schön verwegen!«
»Blödsinn! Wir waren neulich abends im Tommaseo, ganz öffentlich, wo uns Rossana gesehen hat. Und außerdem war da noch Lauras beste Freundin, diese Nutte. Sie hatte natürlich nichts Dringenderes zu tun, als Laura anzurufen und zu tratschen. Meinst du wirklich, ich würde in aller Öffentlichkeit meine Frau betrügen? Wenn ich das wollte, dann würde ich über die Grenze fahren, nach Capodistria oder Portorose. So, wie das fast alle hier machen! Abgesehen
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