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Die Toten Vom Karst

Die Toten Vom Karst

Titel: Die Toten Vom Karst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
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bevor sie antworten konnte, und schlug mit beiden Händen voller Wucht auf die Tischplatte. Als Marietta, aufgeschreckt von dem Knall, hereinkam, suchte er bereits mit brennenden Handflächen in seiner Jackentasche nach Zigaretten und Feuerzeug. Doch Marietta schwieg, als sie seinen wütenden Blick sah.
    »Einen Aschenbecher!« befahl er barsch und knallte die Füße auf die Tischplatte, um kurz darauf aufzuspringen, fünf Schritte weit zum Fenster zu rasen, dann wieder zurück, sein Jackett anzuziehen und zu Marietta zu sagen: »Ich geh zu Tozzi! Und wenn sich Živa Ravno meldet, dann sag ihr, sie soll mich umgehend auf dem Mobiltelefon anrufen!«
    »Die Capitaneria sagt, daß sie den Kutter holen, und außerdem steht dein Wagen noch dort. Und vergiß nicht die Sitzung um zwölf!« Marietta hoffte, daß er sie noch gehört hatte.
    Eben noch war er guter Laune gewesen, jetzt war alles wieder dahin. Glück bei der Arbeit, Pech in der Liebe. Es mußte sein Schicksal sein.
     
    Er rannte mehr, als er ging, die Via del Coroneo hinunter, trat vor der Ampel, an der er warten mußte, ungeduldig von einem Bein aufs andere und bemerkte nicht, wie die entgegenkommenden Fußgänger ihn verwundert anstarrten und einen Bogen um den wütenden Herrn machten. Plötzlich stand er vor der »Boutique du poisson« in der Via XXX Ottobre, Nicolettas Laden, keine hundert Meter vor dem Sitz der Guardia di Finanza. Irgend etwas hatte ihn anhalten lassen, und er überlegte, was es war. Sein Blick schweifte über die Kreide-Schrift auf dem Schaufenster, die das Tagesangebot anpries. Da sah er es: »Guati«! Meergrundeln aß er für sein Leben gern, und es war lange her, daß er sie zuletzt auf dem Teller hatte. Zur Laichzeit im Frühjahr schmeckten sie weniger gut, aber jetzt, gegen Ende des Jahres, war ihr Geschmack einzigartig. Er zog die kleinen, grätenreichen Fischchen allem anderen vor, wenn sie in einem Restaurant auf der Karte standen. Die meisten Fischer warfen sie natürlich zurück ins Wasser: die Dinger sorgfältig von den unzähligen feinen Gräten zu befreien war den meisten Köchen zu aufwendig. Aber Proteo Laurenti war alleine zu Hause an diesem Abend, hatte keinerlei Verabredung, sein Sohn war bis Sonntag in Udine, ein Gast nicht zu erwarten und erneut mit Franco am Faro abzustürzen, wäre der Todesstoß für seine Leber. Proteo dachte daran, zu Hause endlich aufzuräumen, die Küche in Ordnung zu bringen und sich dann zur Belohnung die Guati zuzubereiten. Zuerst ein Risotto und dann ein paar im Ofen gebackene Filets. Er spürte, wie ihm das Wasser im Mund zusammenlief. Und das Leben der Guato-Männchen war seinem doch nicht so unähnlich: zur Laichzeit bauten sie ein Nest aus Tang und Seegras, in das das Weibchen seine Eier legte. Die Männchen bewachten dann die Eier und die geschlüpften Jungtiere, während die Mütter sich herumtrieben. »Wollen Sie zu mir?« Nicoletta war aus dem Laden gekommen, ohne daß er sie bemerkt hatte.
    »Buongiorno, Signora, nein, oder ja, eigentlich schon. Woher kommen die Guati?«
    »Zwischen Grado und Portogruaro. Sie sind ganz frisch. Wollen Sie welche?«
    »Ja.«
    »Dann kommen Sie rein. Sollen wir sie filettieren?«
    »Nein, danke, das mach ich lieber selbst!«
    Nicoletta ging hinter die Auslage, nahm vier Fische in die Hand und zeigte sie ihm. »Wieviel wollen Sie?«
    Was sollte er sagen? Daß er für sich alleine kochte? Nein. »Für zwei Personen. Ein Kilo, nehme ich mal an.«
    »Das ist üppig!« Nicoletta nahm noch drei Fische. »Das sind siebenhundert Gramm.«
    »Geben Sie noch einen dazu, bitte!« Den Rest konnte er morgen essen. Wenn er schon am Filettieren war, dann kam es auf ein bißchen mehr nicht an.
    Nicoletta packte die Fische in eine Plastiktüte, verknotete sie, steckte sie dann in eine zweite und reichte sie über die Theke.
    »Wieviel schulde ich Ihnen?«
    »Nichts! Lassen Sie mal. Ich schulde Ihnen etwas, wegen gestern früh.« Er verstand, daß sie die schallende Ohrfeige meinte, die er von ihr bezogen hatte.
    »Kommt gar nicht in Frage!« Er zog zwei Zehntausend-Lire-Scheine aus dem Portemonnaie und legte sie auf den Tisch.
    »Doch, doch. Keine Sorge. Das geht in Ordnung!«
    »Das nächste Mal gerne, Signora.« Er ließ das Geld liegen. »Wenn wir mit allem durch sind. Einverstanden?«
    Sie zögerte. Dann nahm sie wortlos die Scheine, tippte den Betrag ein und gab ihm Kassenbon und Rückgeld.
    »Gibt es irgend etwas Neues?« fragte sie schließlich.
    »Wir kommen

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