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Die Toten von Bansin

Die Toten von Bansin

Titel: Die Toten von Bansin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Pupke
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und schaltet den Computer ein. Heute ist Samstag, da kann er die ganze Nacht hindurch Poker spielen und morgen schlafen.
    Christine hält sich mit einer Hand am Waschbecken fest, als sie versucht, sich die Zähne zu putzen. Sie vermeidet, dabei in den Spiegel zu sehen. Dann wankt sie in ihr Schlafzimmer, setzt sich auf die Bettkante und starrt die Wand an. Sie muss aufhören zu trinken, unbedingt. Bevor sie völlig die Kontrolle über ihr Leben verliert. Aber nüchtern ist alles noch viel schlimmer. Diese ständige Angst! Was geschieht mit ihr? Hat sie die Creme in den Einkaufswagen gelegt? Warum? Es ist gar nicht die Sorte, die sie benutzt. Und wie ist der Pullover in ihre Tasche gekommen? Gestern befand sich eine Flasche Korn in ihrem Einkaufswagen. Sie trinkt gar keinen Korn. Aber das Schlimmste war der Zettel. Als sie ihren Einkaufszettel aus der Tasche holen wollte, hatte sie plötzlich ein Stück Papier in der Hand, auf dem in großen Druckbuchstaben stand: Du hättest aufpassen sollen . Sie hatte sich erschrocken umgesehen, aber in dem Gewühl am Freitagabend keinen Bekannten im Einkaufsmarkt erkannt.
    Sie überlegt, ob sie noch etwas trinkt, um die Gedanken völlig abzuschalten und endlich mal wieder schlafen zu können. Der Zettel geht ihr nicht aus dem Kopf. Worauf hätte sie aufpassen sollen? Vor ein paar Jahren ist sie noch manchmal betrunken Auto gefahren. Einmal hat sie eine Radfahrerin gestreift, die gestürzt ist und sich verletzt hat. Aber es war doch nicht so schlimm? Gegen 300 Euro Entschädigung hatte die Frau von einer Anzeige abgesehen.
    Christine Jahn überlegt. Plötzlich fällt ihr etwas ein. Es muss mit dem Kind zusammenhängen. Sie zwingt sich, daran zu denken. Jahrelang hat sie das Geschehen verdrängt, aber sie ist nie wieder gern zum Strand gegangen.
    Noch nach zehn Jahren kann sie sich an jede Einzelheit erinnern. Es war ein Sonntagnachmittag im Juli, sehr warm, der Strand war voller Menschen. Sie hatten sich, wie immer, am Fischerstrand niedergelassen, denn zwischen den Booten war es etwas ruhiger. Dort gab es keine Strandkörbe und das Baden war in diesem Abschnitt verboten, weil der Sog Löcher in den Meeresboden grub. Hier standen noch die Pfähle einer alten Buhne im Wasser, die Fischerboote ankerten hier.
    Sie hatte einen Windschutz um ihre Decke aufgebaut und einige Flaschen Bier im Sand vergraben. Die Kinder, die ein paar Meter weiter spielten, mussten sie ja nicht unbedingt beim Trinken sehen. Hin und wieder warf sie einen Blick hinüber. Der schlaksige Teenager und der etwa fünfjährige, dunkelblonde Junge waren anscheinend Brüder. Der Große schrie ein junges Mädchen an, das ihn am Weggehen hindern wollte: »Du sollst auf den Kleinen aufpassen, nicht auf mich! Ich bin doch kein Baby mehr.«
    Â»Du darfst hier aber nicht baden gehen«, erklärte das Mädchen geduldig.
    Â»Will ich ja auch gar nicht. Ich geh zum Volleyball. Vielleicht lassen die mich mitspielen.«
    Â»Na, gut. Aber komm nachher wieder. Ich will auch noch mal kurz weg, etwas zum Trinken holen.«
    Das brachte Christine Jahn auf eine Idee. Sie sah über den Sonnenschutz zu ihrem Mann, der ein Stück weiter im Schatten eines Bootes lag und las. Dann grub sie eine Flasche Bier aus und trank sie in wenigen Zügen leer. Sie überlegte kurz, wickelte die Flasche dann in eine Zeitung und brachte sie zum Papierkorb. Beim Aufstehen wurde ihr etwas schwindlig. ›Ich muss vorsichtig sein‹, dachte sie, ›bei der Hitze wirkt der Alkohol viel schneller als sonst.‹
    Sie setzte sich wieder hin und erwiderte den Gruß des jungen Mädchens.
    Der Kleine buddelte eifrig, mit Hilfe seiner Aufpasserin wollte er sich ein Auto aus Sand bauen.
    Das Mädchen sah immer wieder zum Rettungsturm hinüber. Der Turm war zu weit weg, um jemanden genau zu erkennen, zumal man gegen die Sonne blinzeln musste, aber der junge Mann, der dort stand und anscheinend mit einem Fernglas auf das Meer blickte, muss Sören Mager gewesen sein. Er hatte Semesterferien und war hier, wie in jedem Sommer, als Rettungsschwimmer tätig. Christine schaute zurück auf den Teenager in ihrer Nähe. Das Mädchen trug einen knappen Bikini und wirkte unkonzentriert. ›Die fängt ja früh an‹, dachte sie. ›Die kann doch höchstens vierzehn sein.‹
    Damals hatte sie die Jugendliche erkannt, es war eine Einheimische. Aber wer

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