Die Toten von Bansin
sie befürchtet, dass Fred sie nicht ernst nimmt, wenn sie von ihrem Verdacht erzählt. Ein Mörder in Bansin! â Warum eigentlich nicht? Eigentlich sollte diese Möglichkeit von der Polizei doch wenigstens in Erwägung gezogen werden, oder?
Vielleicht ermitteln sie ja sogar längst in dieser Richtung. Nein, das hätte sie mitbekommen. Wahrscheinlich muss sie die Polizisten wirklich mit der Nase darauf stoÃen, dass hier etwas nicht stimmen kann. Sie muss unbedingt mit dem Ortspolizisten sprechen. Aber möglichst allein, sonst traut Fred sich nicht, über dienstliche Dinge zu reden. Also ist die Polizeiwache schon mal ein ungünstiger Ort, um Kontakt aufzunehmen.
Berta ist etwas überrascht, dass Sophie zur Kaffeezeit nicht da ist, aber sie hat ja einen Schlüssel zur Pension. Spontan beschlieÃt sie, die Gunst der Stunde zu nutzen. Hoffentlich kehrt ihre Nichte nicht so schnell zurück.
Fred Müller zögert etwas, fragt misstrauisch, warum er jetzt sofort nach Bansin kommen soll, lässt sich dann aber doch überreden. Nun nippt der Polizist an seinem Kaffee und sieht sich um, während Berta in die Küche geht, um Stollen zu holen. Es hat sich einiges verändert, seit seine Mutter hier im damaligen Fortschritt gekellnert hat. Unwillkürlich muss der groÃe, kräftige Mann mit den kurzen blonden Haaren lächeln, als die alte Frau, die er auch heute noch Tante Berta nennt, ihm einen Teller mit Kuchen vorsetzt. Sie kann sich tatsächlich noch erinnern, dass er gern SüÃes isst.
Als er noch ziemlich klein war, vielleicht sieben oder acht Jahre alt, hatte seine Mutter ihn einmal mit zur Arbeit genommen, weil sie ihn nicht allein zu Hause lassen wollte. Vom Personaltisch aus hatte er Berta bewundert, die offensichtlich die Herrin über all die groÃen Kochtöpfe und die weià gekleideten Männer und Frauen in der für ihn riesigen Küche war. Auch seine Mutter und die anderen Serviererinnen unterstanden ihrem Kommando und trugen viel mehr Teller hinaus zu den Gästen, als er zählen konnte.
Dann kam diese Respektsperson zu ihm, setzte sich an den Tisch, sagte, er könne sie Tante Berta nennen und fragte, wie er hieÃe und was er am liebsten essen würde. Als er schlieÃlich schüchtern »Eierkuchen« geflüstert hatte, lachte die nette, dicke Frau, strich ihm übers Haar und ging in ihre groÃe Küche, um einem kleinen Jungen seine Leibspeise zu bereiten.
Nun sitzt sie ihm wieder gegenüber, mehr als zwanzig Jahre älter, aber immer noch lebhaft und resolut, eine Frau, die man achtet und der man vertraut. Ihre Haare sind kürzer als damals und grau, die blauen Augen blicken immer noch aufmerksam und freundlich, nur sieht sie ihn heute besorgt an und Fred Müller weiÃ, warum.
»Natürlich kommt es uns auch verdächtig vor, wenn es mehrere unnatürliche Todesfälle innerhalb kurzer Zeit in einem Ort gibt. Deshalb ist Kriminalhauptkommissar Schneider aus Anklam doch hier gewesen. Es wurde eine Sonderkommission gebildet, die alle Fälle untersucht und miteinander verglichen hat. Die Angehörigen und eventuelle Zeugen wurden befragt, aber du weiÃt doch selbst, dass nichts dabei herauskam. Und leider gibt es kaum Spuren. Bei Gerd Töpfer hat man Alkohol im Blut gefunden, es kann ein Unfall gewesen sein oder auch Selbstmord. Sören wurde von einem Auto angefahren, es war zumindest Fahrerflucht, aber nach dem Unwetter in dieser Nacht konnte man keine Spuren sicherstellen, genauso wenig wie an der Steilküste, wo Jahn abgestürzt ist. Einen Zusammenhang zwischen den Toten scheint es nicht zu geben, jedenfalls haben wir keinen gefunden.«
Berta nickt nachdenklich. »Ich bin ja froh, dass ihr überhaupt in diese Richtung ermittelt und nicht alles als Unfälle abhakt. Also glaubt die Polizei auch, es könnte hier einen Mörder geben?«
»Mit dem Glauben hat man es nicht so bei uns. Ein paar Hinweise sollten schon vorhanden sein. Aber wir schlieÃen es nicht aus. Also, falls dir irgendetwas auffällt oder du etwas hörst â dir erzählen die Leute ja doch mehr als uns und hier am Stammtisch sowieso â ruf uns an, ja? Auch wenn du es für nicht so wichtig hältst, vielleicht hilft es uns weiter.«
Fred ist bereits aufgestanden und verabschiedet sich, als Sophie und Anne von ihrem Ausflug zurückkommen. Kurz darauf sind die drei Frauen allein und Berta
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