Die Toten von Bansin
erklärt sie. »Ja, also Weihnachten und zum Karneval bleibe ich auf jeden Fall in Köln. Aber vielleicht komme ich im nächsten Herbst wieder. Wenn die Ferien vorbei sind. Im Sommer ist mir das hier auf der Insel zu voll und zu teuer.«
»Na ja«, bietet Plötz etwas zögernd an, »wenn du kommen willst, finden wir schon eine preiswerte Unterkunft für dich. Auch für deine Familie.«
»Danke!« Steffi freut sich offensichtlich über das Angebot. »Vielleicht komme ich ja mal darauf zurück.« Sie trinkt ihr Glas leer und steht auf. »Ich werde mal nachsehen, ob Berta bei Sophie ist. Eigentlich wollte ich einen Strandspaziergang machen, aber das Wetter gefällt mir nicht. Bei dem feinen Regen und dem Wind ist man gleich durchnässt.«
»Ja.« Plötz nickt und blickt durch die offene Tür nach drauÃen. »Aber der Wind hat schon nachgelassen. Ich glaub, wir können morgen raus. Müssen sehen, dass wir Fisch ranholen, jetzt kommen bald die Weihnachtsgäste. Ãber die Feiertage sind die Hotels wieder alle voll, bevor dann im Januar die Saure-Gurken-Zeit beginnt.«
Nachdem Steffi die Tür hinter sich geschlossen hat, dreht sich die Unterhaltung um den Fang, den die Fischer erwarten, und um die Wetteraussichten. Plötz denkt an Berta. Er will den WeiÃhaarigen schon fragen, ob der sich an diesen Badeunfall von damals erinnert. Dann fällt ihm ein, dass dessen Kind ja auch in der Ostsee ertrunken ist und er schluckt die Frage hinunter. âºIm Haus des Gehängten soll man nicht vom Strick redenâ¹, denkt er und schlägt Arno vor, ebenfalls ins Kehr wieder zu gehen: »Wollen mal sehen, ob die da etwas zu essen haben. Meine Alte ist nach Greifswald gefahren, die muss schon wieder zum Arzt und dann will sie gleich Weihnachtseinkäufe machen. Da kommt sie bestimmt erst heute Abend nach Hause. Aber Berta hat bestimmt etwas für uns.«
Mittwoch, 5. Dezember
Christine Jahn erwacht mit Kopfschmerzen. Sie sieht sich im dämmrigen Schlafzimmer um. Es ist kurz nach neun. Allmählich scheint sich wieder alles zu normalisieren. Seit ihren Halluzinationen am Donnerstag ist nichts Unerklärliches mehr passiert.
Als sie gestern Abend nach Hause kam, ist sie als Erstes in die Küche gegangen und hat den Kühlschrank geöffnet. Er war leer, bis auf ein paar Dosen Bier, eine angebrochene Flasche WeiÃwein und einige Lebensmittel, die Berta mitgebracht hat: ein Stück Butter, ein Päckchen Käsescheiben, etwas Wurst. Auf dem Fensterbrett standen ein paar Flaschen Bier, eine Flasche Rotwein neben der Spüle und in einer Ecke, neben dem Mülleimer, leere Flaschen. Alles so, wie sie es hingestellt hatte. Den roten Pullover, den sie auf dem Sessel gesehen hatte, fand sie im Wäschekorb. Erleichtert hat sie sich auf ihre Couch gesetzt und in aller Ruhe ein Bier getrunken. Sie hat sich das alles also doch nur eingebildet. Wahrscheinlich hat sie es geträumt.
Sie erwägt den Gedanken, doch einmal einen Arzt aufzusuchen, zumindest, um sich über die möglichen Auswirkungen eines Schocks zu erkundigen. Vielleicht gibt es ja wirksame Medikamente dagegen. Aber die vertragen sich dann natürlich nicht mit Alkohol. Ach was, es wird schon von allein vorbeigehen.
Ob sie versucht, noch einmal einzuschlafen? Aber sie weià schon, dass sie sich nach zu viel Schlaf noch benommener fühlt. Sie gähnt und reckt sich noch eine Weile im Bett. SchlieÃlich steht sie langsam auf. Als sie die Jalousie öffnet, wird es nicht viel heller im Zimmer. Christine sieht hinaus in die trostlosen Gärten. Alles ist grau und nass. Ein bisschen Schnee wäre schön. Fast schämt sie sich für diesen Wunsch. Nein, sie wird nichts schmücken. Das wäre wohl nicht angebracht, so kurz nach Manfreds Tod. Sie wundert sich jetzt über sich selbst, wie sehr sie die vorweihnachtliche Stimmung am Sonntag im Kehr wieder genossen hat. Wahrscheinlich brauche ich jetzt, wo ich allein bin, dieses Gefühl von Geborgenheit und Gemütlichkeit bei Kerzenschein, versucht sie sich ironisch in einer Selbstanalyse.
Als sie über den Flur ins Bad gehen will, fällt ihr Blick hinunter auf das Treppengeländer. Etwas Rotes sticht ihr ins Auge. Einen Moment lang bleibt sie wie erstarrt stehen, schlieÃt die Augen und atmet tief ein. Dann sieht sie noch einmal hin. Langsam geht sie die Treppe hinab. Ãber dem Knauf am Fuà der
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