Die Toten von Bansin
freundlich zu ihr zu sein. Aber über Weihnachten und Silvester muss ich noch durchhalten. Ich habe ja keine Ahnung, wie sie reagiert, wenn sie sich nicht mehr verstellt. Und das möchte ich wirklich erst im Januar herausfinden. Also bitte, lass du dir auch nichts anmerken.«
»Ich habe kein Problem damit. Aber ich freue mich schon drauf, diesem scheinheiligen Biest endlich die Maske vom Gesicht zu reiÃen.« Berta sieht aus dem Fenster und dann auf ihre Armbanduhr. »Das Wetter wird heute nicht mehr besser und wir beide«, sie deutet auf den Hund, »haben keine Lust, noch einmal vor die Tür zu gehen. Aber weiÃt du was? Wenn du jetzt schnell einkaufen fährst, dann schaffe ich es noch, uns zu Mittag einen schönen Wrukeneintopf zu kochen.«
»Super!« Sophie springt schon auf. »Was brauchen wir, auÃer einer Wruke?«
Berta überlegt kurz. »Mohrrüben, Kartoffeln und Zwiebeln sind da, Thymian auch, dann holst du nur noch Fleisch. Ein Stück Schweinekamm oder dicke Rippe. Bring mal gleich ein bisschen mehr, mindestens zwei Kilo. Du weiÃt ja, da finden sich immer genug Mitesser. Und der Eintopf schmeckt morgen, wenn er aufgewärmt ist, besser als heute.«
»Alles klar!« Sophie hat sich schon die Jacke übergezogen und steht an der Tür. »Halt du hier so lange die Stellung, aber es wird wohl niemand kommen. Angemeldet ist jedenfalls keiner und falls zufällig einer reinschaut, weiÃt du ja Bescheid. Soll ich noch etwas mitbringen für heute Nachmittag zum Kaffee?«
»Da ist noch genug Stollen und Lebkuchen, Anne hat reichlich angeschleppt. Nun hau schon ab.«
Dienstag, 4. Dezember
Der kleine Ofen glüht und in der Hütte wird es allmählich warm. Schweigend hören die Fischer dem WeiÃhaarigen zu, der sich über Doktor Moll lustig macht.
»Das Auto hat seine Tochter dann weggeholt. Wahrscheinlich hat sie Angst, dass er wieder besoffen damit fährt. Aber auf die Patienten haben sie ihn losgelassen. Einmal stand er stocksteif mitten auf dem Hof und hat versucht, seinen Kittel zuzuknöpfen. Dabei hat er vor sich hin gebrabbelt. Bis Marita kam und ihn reingeholt hat. Na, für die ist das natürlich ein gefundenes Fressen, so kann sie sich wieder wichtig tun. Sie vertuscht schon immer, was der so anrichtet. Aber nun haben sie ihn wohl doch aus dem Verkehr gezogen. Er soll wieder zur Entziehung sein. Das kostet alles unser Geld! Wenn unsereins etwas will von der Krankenkasse, wird das abgelehnt, und so ein versoffener Doktor bekommt gleich die nächste Kur. Das ist doch sowieso sinnlos.«
Sogar Plötz fühlt sich abgestoÃen von der Bosheit des verbitterten Mannes.
»Na ja, eine ganze Weile hat er ja durchgehalten«, stellt er versöhnlich fest. »Wer weiÃ, was dem dazwischengekommen ist. Ich mag ihn eigentlich. Aber ich gehe auch nicht oft hin zum Arzt. Ich habe jeden Tag meine Arbeit an der frischen Luft, Fisch auf dem Teller und jeden Abend esse ich einen Apfel von der eigenen Ernte, das spart den Doktor. Und wenn doch mal was ist, hab ich meine Medizin zur Hand.«
Er greift zu seinem Grogglas. »Prost! Auf die Gesundheit.«
Die Männer nippen an ihren heiÃen Getränken. Die Tür geht langsam einen Spalt breit auf, dann steckt Steffi den Kopf in die Bude. Sie trägt heute eine schwere Lederjacke mit groÃem Kragen aus dem gleichen Kunstpelz wie ihre Mütze.
»Stör ich? Ich dachte, Berta wäre vielleicht hier.«
»Nun komm schon rein!« Plötz freut sich offensichtlich über den Besuch und auch Arno lächelt freundlich. Nur der WeiÃhaarige mustert die Frau missmutig. Er mag keine Fremden, schon gar keine Frauen, und erst recht nicht in der Fischerbude von Plötz, wo er sich zu Hause fühlt.
Steffi setzt sich auf den Küchenstuhl, den Arno, der ihr auch gleich ein Glas Grog reicht, für sie frei gemacht hat.
»Schmeckt besser als dein Kölsch, was?«, lästert Plötz. »Ich glaub, du fühlst dich hier bald so wohl, dass du gar nicht wieder zurück willst nach Köln.«
Steffi lacht. »Doch, doch. Zu Weihnachten fahre ich auf jeden Fall nach Hause. Meine Familie vermisst mich allmählich doch und mir fehlen sie auch. Sogar meine Schwiegertochter, die hat bestimmt schon einen Berg Bügelwäsche für mich im Schaaf.«
»Wo? Im Schaf?« Plötz guckt verständnislos.
Steffi lacht. »Im Schrank«,
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