Die Toten von Crowcross
kühlenden Zentimeter geöffnet. Jemand in Jane Ebdons Straße musste einen Gartengrill in Gang gesetzt haben. Der warme Geruch von Holzkohle wehte vorüber, durchsetzt mit Stimmengewirr und einem Goldfrapp-Song. Während er Jacobson zur Tür folgte, versuchte Kerr den Gedanken, dass Cathy und die Zwillinge sicher längst wieder zu Hause waren und den Sommerabend ohne ihn genossen, zu unterdrücken.
Jacobson hatte Alison anrufen wollen, um für später in der Woche etwas zu verabreden (einen Ausflug in einen Pub auf dem Land zum Beispiel). Er nahm sich vor, es nicht zu vergessen. Ließ sich nicht irgendeine verlässliche Synapse seines Hirns finden, die ihn später daran erinnerte?
Maureen Bright war allein. Sie sahen, wie sie erst durchs Wohnzimmerfenster spähte, bevor sie kam und ihnen auf machte. Jane/Mandy sei ein chinesisches Takeaway holen, erklärte sie ihnen, sie bestehe darauf, dass sie, Maureen, wenigstens versuche, etwas zu essen. Sie folgten ihr ins Wohnzimmer. Ohne Umschweife fragte Jacobson, was sie über den Computer in Groves Arbeitszimmer wisse und woran ihr Freund da gearbeitet habe. Ob sie wisse, was für ein Computer es gewesen sei. Sie sah ihn verständnislos an. Bestimmt hatte sie schon einiges von dem Wodka intus, der neben ihr auf dem kleinen Beistelltisch stand.
Er wiederholte die Frage und bekam endlich auch eine Antwort.
»Wenn Sie nach der Marke fragen – keine Ahnung. Es war so ein Laptop-Dings, Sie wissen schon, zum Mitnehmen.«
»Der Computer scheint verschwunden zu sein, vielleicht hat Martins Mörder ihn mitgenommen«, erklärte Jacobson und benutzte bewusst nur Groves Vornamen.
»Gestern Abend hat er noch daran gearbeitet. Als ich gegangen bin, saß er davor und schrieb«, sagte sie, und ihr Blick war immer noch leer.
Jacobson fragte noch einmal, woran er gearbeitet habe.
»An seiner Lebensgeschichte, was sonst? Von der Zeit vor dem Gefängnis bis danach. Ich will die Dinge ein für alle Mal klarstellen , hat er gesagt. Tausendmal habe ich ihn das sagen hören.«
Sie trank den Wodka aus einem großen Weinkelch. Er sah sauber aus, unverdünnt.
»Wissen Sie, ob er irgendwo Kopien aufbewahrt hat? Back-ups?«
Sie schüttelte den Kopf. Dass sie trinkt, muss man nicht überbewerten, dachte Jacobson. Sie hatte sich gewaschen und umgezogen. Ihre Augen waren längst nicht mehr so gerötet, und den Jogginganzug der Spurensicherung hatte sie gegen ein lockeres Sommerkleid eingetauscht. Das satte Gelb stand ihr ausgesprochen gut.
»Falls ja, hat er mir nichts davon erzählt. Es hätte keinen Sinn gehabt, mit mehr als der Fernbedienung für den Fernseher komme ich nicht klar.«
Jacobson fragte, ob Grove etwas von Besuchern gesagt habe, bevor sie gegangen sei.
Sie warf ihm einen Blick zu. Weniger ausdruckslos jetzt, aber nicht weniger feindselig.
»Sie verstehen gar nichts, was? Glauben Sie, er hätte sein halbes Leben für etwas im Gefängnis gesessen, das ein anderer getan hat, und dann dagehockt und Besucher
empfangen? Marty brauchte seinen Freiraum, er war gern für sich oder verbrachte Zeit mit mir. Für den Rest der menschlichen Gattung hatte er nicht viel übrig.«
Jacobson merkte an, dass Alan Slingsby den Kontakt mit ihm offenbar gehalten habe.
»Alan Slingsby ist eine Ausnahme. Er hat zu Marty gehalten, als sonst niemand was von ihm wissen wollte. Ohne Slingsby würde er heute noch in seiner Zelle sitzen.«
Manchmal kam Jacobson sich vor wie ein nervender Hund, wie ein Terrier, der seine Zähne in ein Hosenbein gegraben hat und nicht wieder loslassen will.
»Sie sagen also, dass Martin, als Sie ihn das letzte Mal gesehen haben, im Arbeitszimmer an seinem Laptop saß und keinen Besuch erwartete?«
Maureen Bright antwortete mit einem Wort.
»Ja.«
Sie griff nach einer Schachtel Dunhill, zog eine Zigarette heraus und steckte sie sich an.
Endlich hatte auch Kerr eine Frage.
»Wann hatten Martin oder Sie überhaupt zuletzt einen Besucher im Haus? Wobei ich jetzt nicht den Gasmann meine oder so.«
Sie inhalierte, atmete den Rauch wieder aus und musterte Kerr von oben bis unten.
»Barry Vine war letzten Monat da. Am Nachmittag sind Marty und er spazieren gegangen, und abends habe ich ihnen was gekocht. Er ist auch eine Ausnahme.«
»Barry Vine?«
»Ein Gefängniswärter aus Boland. Wenigstens war er das, als Marty da war. Marty hat immer gesagt, Barry sei einer von den Anständigen gewesen und er schulde ihm einiges.«
Beinahe hätte Kerr nach Telefonnummer und
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