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Die Toten Von Jericho

Die Toten Von Jericho

Titel: Die Toten Von Jericho Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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Friedhof.
    Jackson befand sich jetzt in einem Zwiespalt, den er mit seinen beschränkten intellektuellen Fähigkeiten nicht vorausgesehen hatte. Sollte er seinen Beobachtungsposten nun sofort aufgeben, sich die Tasche schnappen und zusehen, so schnell wie möglich die unübersichtlichen Seitenstraßen und Gäßchen des ihm vertrauten Jericho zu erreichen? Oder sollte er auf Nummer Sicher gehen, warten, bis er sich davon überzeugt hatte, daß nichts zu befürchten war, dann über die Straße schlendern, in aller Ruhe die Tasche hinter dem Efeu hervorholen und gemächlich und frech wie ein geübter Ladendieb die hellerleuchtete Woodstock Road hinunter davonradeln? Er entschloß sich zu warten. Fünf Minuten, zehn Minuten vergingen. Schließlich eine Viertelstunde. Und noch immer traute er sich nicht aus seinem Versteck. Plötzlich ging in einem der Räume in der Villa hinter ihm das Licht an. Er duckte sich noch etwas tiefer. Es wurde Zeit, daß er hier verschwand! Er stand auf, holte sein Fahrrad unter dem Busch hervor und ging dicht an der Hecke entlang bis zum Tor. Der kalte Schweiß stand ihm auf der Stirn, und er verspürte ein unbehagliches Prickeln zwischen den Schulterblättern, als er die wenigen Meter die Straße hinaufradelte. Weit und breit war niemand zu sehen. Er stieg ab und lehnte das Fahrrad gegen die Telefonzelle. In einiger Entfernung hörte er einen Hund bellen und blieb einen Moment angespannt lauschend stehen. Dann war alles wieder ruhig. Er holte tief Luft und ging auf das Mäuerchen zu, bückte sich und tastete nach der Tasche. Er brauchte keine drei Sekunden um sie zu finden, machte kehrt, ging zu seinem Fahrrad zurück und verstaute sie in dem Angelkorb, den er auf dem Gepäckträger befestigt hatte. Er schwang sich auf sein Rad und fuhr die Woodstock Road hinunter Richtung Jericho. Unterhalb South Parade wurde der Verkehr dichter, und Jackson, nunmehr Teil eines großen Stroms, begann sich sicherer zu fühlen. Er hatte es also tatsächlich geschafft! Plötzlich hörte er hinter sich das anschwellende Brummen zweier schnell herankommender Motorräder und wandte sich um. Zwei jugendliche Raser, noch die Plakette mit dem ›A‹ für ›Anfänger‹ am Schutzblech, brausten mit überhöhter Geschwindigkeit, im Zickzack zwischen den Autos lavierend, die Straße hinunter. Ein Don, der mit geblähtem Talar, einen Bücherstapel unter dem Arm, nur wenige Meter hinter Jackson radelte, brachte sich in letzter Sekunde am Straßenrand vor ihnen in Sicherheit. Dann waren sie vorbei, das satanische Geknatter wurde schwächer und war schließlich gar nicht mehr zu hören. Das gleichmäßige Rauschen des normalen Verkehrs war jetzt fast beruhigend. Bei einem Pub mit dem Namen The Horse and Jockey bog Jackson nach rechts ab in die Observatory Street, kreuzte die Walton Street und fuhr weiter geradeaus die Cranham Street hinunter bis zur Canal Street. Dort bog er nach links und radelte die wenigen Meter bis zum Anfang von Canal Reach, wo er wegen der Betonzylinder auf der Fahrbahn abstieg. Doch bevor er in der Sackgasse verschwand, sah er sich noch einmal verstohlen um. Auf dem Bürgersteig vor dem Pri n ter’s Devil vertrieben sich ein paar Jungen die Langeweile, indem sie mit ihren Fahrrädern Faxen machten und freihändig gewagte Kurven fuhren. Zwei Frauen verließen gerade die Saloon Bar des Pubs, gegenüber versuchte ein Mann, seinen Wagen rückwärts in eine Parklücke zu setzen. Ausgerechnet heute abend mußten noch so viele Leute draußen sein, dachte er. Sonst war um diese Zeit kaum ein Mensch auf der Straße. Aber im Grunde konnte es ihm egal sein. Er war sicher überhaupt nicht bemerkt worden.
    Doch da täuschte er sich. Er war durchaus bemerkt worden – von einem Mann, der sich, als er sich umdrehte, um die Straße hinunterzusehen, blitzschnell hinter einen Wagen geduckt hatte und sich nun angelegentlich am Rücklicht seines funkelnagelneuen Klapprades zu schaffen machte. Das Licht hatte übrigens die ganze Strecke von der Woodstock Road bis hierher tadellos funktioniert. Im Korb auf dem Gepäckträger befanden sich ein zusammengefalteter Talar und ein paar Bücher. Als Jackson nun sein Fahrrad in die Sackgasse schob, richtete sich der Mann auf und ging ihm langsam nach. Vor seinem Haus schloß Jackson das Fahrrad an den Regenabfluß, hob den Angelkorb vom Gepäckträger und zog seinen Hausschlüssel aus der Hosentasche. Gut, daß er die Sache hinter sich hatte! Die Aufregung war ihm doch ganz

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