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Die Toten Von Jericho

Die Toten Von Jericho

Titel: Die Toten Von Jericho Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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bin auf das Geld nicht angewiesen, Sir. Wie Sie wissen, verfüge ich noch über ein Privateinkommen.«
    Der ACC sah ihn erstaunt an. »Ich dachte, Ihr Vater sei Taxifahrer gewesen?«
    Morse war schon aufgestanden. »Das ist richtig, Sir, aber er hat den Aga Khan gefahren.«
    Der ACC verzog irritiert den Mund. »Ich nehme an, Sie wollen wieder mit Lewis zusammenarbeiten?«
    Auf Morses Gesicht erschien ein Lächeln. »Unbedingt, Sir.«
     

DRITTES BUCH
     

Kapitel Zweiundzwanzig
     
    … denn diese Milchbrust,
    Die durch die Fenster
    kirrt der Männer Augen.
    Shakespeare, Timon von Athen,
    4. Akt, 3. Szene
     
    Selbst wenn Lewis’ Eltern mit Reichtum gesegnet gewesen wären und sich einer gewissen gesellschaftlichen Stellung erfreut hätten, hätte Winchester den jungen Lewis vermutlich nicht aufgenommen. Aber es muß ja auch nicht jeder eine Public School besuchen. Dennoch hatte er mit Zähigkeit eine ganze Menge erreicht. Mit fünfzehn war er von der Schule abgegangen, hatte sich aber in Tageskursen und in unzähligen anstrengenden Stunden in der Abendschule eine Reihe praktischer Fähigkeiten erworben. Mit zwanzig war er der Polizei beigetreten. Er hatte die Entscheidung nie bereut. Vor zehn Jahren war er zum Sergeant befördert worden. Was ihn in Morses Augen auszeichnete, war, daß er einerseits wußte, was er konnte, und von daher Selbstvertrauen besaß, sich aber andererseits auch über seine Schwächen im klaren war und offen darüber redete. Vor sechs Jahren hatte er zum erstenmal mit Morse zusammengearbeitet, und im nachhinein hatte es ihn mit Stolz erfüllt, daß er diesem mitunter genialen Mann bei seinen Ermittlungen hatte zusehen und einen, wenn auch bescheidenen, Beitrag zur Lösung des Falles leisten dürfen. Aber, wie gesagt, im nachhinein. Wä h rend der Arbeit hatte er Morse mehr als einmal zum Teufel gewünscht, und an diesem Auf und Ab der Gefühle hatte sich auch in den folgenden Jahren, wann immer Morse ihn für einen neuen Fall angefordert hatte, nicht viel geändert. Morse war eben eine schwierige Persönlichkeit. Andererseits empfand er es als große Ehre, daß ein Mann von diesem Ruf Wert auf seine Mitarbeit legte, und darüber hinaus schätzte er ihn als Menschen. Er mochte reizbar, launisch, vulgär, stur und mitunter, was das Trinken und Rauchen und die Einhaltung des Polizeireglements anging, von einer Disziplinlosigkeit sein, daß es Lewis grauste – das alles tat seinen freundschaftlichen Gefühlen für ihn jedoch keinen Abbruch. Denn während Morse bei Vorgesetzten und Kollegen trotz seiner Erfolge als exzentrischer Spinner galt, hatte Lewis oft genug Gelegenheit gehabt, hinter all dem Negativen den nachdenklichen, empfindsamen und rücksichtsvollen Morse zu entdecken. Inzwischen waren Morse und er bei der gesamten Thames Valley Constabulary als ein Paar bekannt – ihrer beider Namen wurde in einem Atemzug genannt so wie Gilbert & Sullivan, Moody & Sanky oder Lennon & MacCartney. Im Fall Jackson (der Morse allerdings bis dato nicht offiziell übertragen worden war) hatte Lewis’ Beitrag bisher darin bestanden, daß er ihn vor vierzehn Tagen morgens zum Clarendon Institute kutschiert und ihm die Abmahnung von der Windschutzscheibe des Lancia gekratzt hatte, keine besonders ruhmvolle Tat, und wieso hatte der faule Kerl nicht überhaupt den Bus genommen? Das wäre außerdem viel schneller gewesen.
    Aber als bei Lewis am Montag morgen um halb acht das Telefon klingelte und Morse am Apparat war, löste sich auch die letzte Spur etwa noch vorhandenen Ärgers in nichts auf.
    »Ja, Sir?«
    »Ich brauche Ihre Hilfe, Lewis.«
    »Was soll ich denn tun, Sir? Heute wird es aber nicht mehr gehen – ich bin den ganzen Tag unterwegs. Wir führen doch im Moment die Sicherheitswoche in den Schulen durch, Augen auf im Straßenverkehr!, und …«
    »Sie sind ab sofort davon freigestellt. Ich habe gestern mit dem ACC geredet und ihm gesagt, daß ich Sie brauche.«
    Bei diesen Worten ging Lewis das Herz auf. Er wurde gebraucht!
    »Ich freue mich, Sir. Sie wissen, daß ich gerne mit Ihnen zusammenarbeite. Wann soll ich denn im Präsidium sein?«
    »Ich bin schon im Büro. Ziehen Sie Ihre Pantoffeln aus, und steigen Sie in Ihr Auto; und dann kommen Sie her.«
    Lewis, nicht mehr ganz jung und sonst eher schwerfällig, bewegte sich auf einmal leichtfüßig wie ein Jüngling. Seine Frau, eine Waliserin, stand gerade am Herd und brutzelte Eier mit Speck, als er hereinkam. Sie spürte die Veränderung

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