Die Toten von Santa Clara: Roman (German Edition)
Falcón. »Zwei mächtige Männer sind entweder getötet worden oder haben Selbstmord begangen. Das hat andere mächtige Männer alarmiert, die der Jefatura zu verstehen gegeben haben, dass wir eine gründliche Untersuchung der Zustände in unserer eigenen Truppe über uns ergehen lassen müssen, wenn wir den Fall konsequent weiterverfolgen. Mit anderen Worten: Wenn wir der Welt ihren Grad an Korrumpiertheit zeigen, werden sie den unseren bloßstellen.«
»Comisario Lobo sagte schon, dass Sie es verstehen würden.«
»Unser Problem ist, dass die entscheidende Verurteilung in diesem Fall das ganze Kartenhaus zum Einsturz bringen wird«, sagte Falcón. »Ich erzähle Ihnen, was meiner Meinung nach geschehen ist, Comisario. Ignacio Ortega übernahm von Eduardo Carvajal die Akquise für den Pädophilenring, da er Verbindungen zu den Russen hatte. Diese Verbindung ist so eng, dass sie ihn mit der Vergabe von Aufträgen belohnen konnten, ohne Rafael Vega zu konsultieren. Zum Zeitpunkt von Eduardo Carvajals Tod war Montes bereits korrupt. Durch den Kauf der Finca bei Almonaster la Real, die Ignacio Ortega renovierte, hat er sich zwangsläufig tiefer in die Sache verstrickt. Weil die Finca Montes gehörte, haben die Behörden sich auch nie die Mühe gemacht herauszufinden, wofür das Haus benutzt wurde. Ich bin mir fast sicher, dass Rafael Vega ein Kunde war. Wir führen eine Reihe von Tests durch, die das bestätigen könnten. Mark Flowers hat Vegas Neigungen angedeutet, als er uns seinen Spitznamen während des chilenischen Militärputsches verraten hat. Die beiden letzten Opfer, von denen Sie mir erzählt haben, könnten ebenfalls Kunden gewesen sein. Um diese Lunte vollständig auszutreten, müssten wir idealerweise die Russen aus dem Spiel nehmen, aber ich weiß nicht, wie wir an sie rankommen sollen. Die nächste Sprosse tiefer wäre Ignacio Ortega. Das Problem ist, dass dieser Typ dann nicht still untergeht. Er wird von seinen Freunden verlangen, dass sie ihn retten, oder jene Herrschaften aus unseren so hoch geschätzten Institutionen mit sich in den Abgrund reißen.«
»Lassen Sie sich nicht zu solcher Bitterkeit hinreißen«, sagte Elvira. »Ich verstehe, warum Sie das so sehen, aber Außenstehende könnten Sie als ›schwierig‹ abtun, und dann bekommen Sie nie, was Sie wollen. Was haben Sie gegen Ortega in der Hand?«
»Sehr wenig«, sagte Falcón. »Er ist wegen seines Verhaltens im Zusammenhang mit dem Tod seines Bruders in Verdacht geraten. Ich habe seinen Sohn vernommen, einen Heroinsüchtigen, der mir widerstrebend von dem systematischem sexuellen Missbrauch erzählt hat, dem er, sein Cousin und eine Reihe von Freunden ausgesetzt waren. In der Baubranche waren sich Ignacio Ortega, Vega und die Russen gegenseitig gefällig. Das Allermindeste ist die Tatsache, dass Ortega die Klimaanlage in Montes’ Finca installiert hat. Inspector Ramírez hat die beiden Brandstifter festgenommen, die das Haus angezündet haben. Wir hoffen, dass sie uns eine konkretere Verbindung zu Ignacio Ortega liefern. Das würde zumindest die Möglichkeit eröffnen, ihn wegen ›Anstiftung zur Brandstiftung‹ festzunehmen. Der nächste Schritt könnte schwieriger werden.«
»Der Tatvorwurf des sexuellen Missbrauchs an seinem Sohn hat bei dessen Drogenproblem wenig Chancen. Ich weiß, dass das falsch ist, aber so ist es nun mal.«
»Er hat ohnehin erklärt, dass er nicht gegen seinen Vater aussagen will.«
»Und Sebastián Ortega ist wegen eines schweren Verbrechens verurteilt.«
»Das er, wie wir zu beweisen hoffen, nicht begangen hat, aber das wird uns bei Ortega auch nicht weiterhelfen. Wir brauchen mehr Zeit.«
»Also gut«, sagte Elvira und lehnte sich müde und erschöpft zurück. »Finden Sie heraus, ob es eine Verbindung von den Brandstiftern zu Ignacio Ortega gibt. Wenn dem so ist, müssen wir unseren nächsten Schritt sorgfältig planen. Und ich muss Ihnen wohl nicht sagen, dass Sie über nichts von alledem mit Virgilio Guzmán sprechen dürfen.«
ACHTUNDZWANZIG
I m Großraumbüro saß Cristina Ferrera, die Füße hinter die Stuhlbeine geklemmt, an ihrem Schreibtisch und betrachtete die Ausdrucke der beiden Fotos von Marty Krugman am Ufer des Flusses. Sie drehte die beiden DIN-A4-Bogen auf dem Schreibtisch um, damit Falcón einen Blick darauf werfen konnte.
Auf dem ersten hockte Marty am linken Bildrand auf einer Bank am Fluss, war aber nicht das eigentliche Zielobjekt. Der Mann, der neben ihm saß, war sowohl
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