Die Toten von Santa Clara: Roman (German Edition)
zwanzig Jahre nach seiner Flucht«, sagte Flowers. »Es ist eine bedauerliche Nebenwirkung dieses Berufs – man kann nichts mehr für bare Münze nehmen. Menschen sterben ständig bei Verkehrsunfällen, Inspector Jefe.«
»Und haben Sie herausgefunden, worum es bei dieser russischen Mafia ging?«
»Er hat ihnen erlaubt, über seine Projekte Geld zu waschen, und sie haben seine pädophilen Neigungen bedient. Soweit ich weiß, hat er gern zugesehen. El Salido , erinnern Sie sich?«
»Und was war Martys Job – wenn Sie all das schon wussten?«
Schweigen und ein gelangweilter Seufzer von Señor Flowers.
»Wann haben Sie ihm erzählt, dass Rafael Miguel Velasco war?«
»Nein, nein, da irren Sie sich, Inspector Jefe. In diesem Punkt belüge ich Sie wirklich nicht«, sagte Flowers. »Sie denken, dass wir es ihm erzählt haben und dass seine frühere Verwicklung in die chilenische Politik ausgereicht hätte, ihn zu einem Mord zu animieren.«
»Einen Menschen dazu zu zwingen, Säure zu trinken…«, sagte Falcón.
»Es ist ein hässlicher Tod«, sagte Flowers. »Klingt nach einem Mord aus Rache. Aber in diesem Punkt will ich ganz deutlich sein. Wir haben Rafael Vegas wahre Identität nicht preisgegeben. Wir wollten seinen Tod nicht. Das müssen Sie Marty glauben…«
»Was wollten Sie dann wissen?«
»Wir waren uns nicht sicher.«
»Das klingt nicht besonders überzeugend, Señor Flowers«, sagte Falcón.
»Wahrscheinlich, weil es die Wahrheit ist und mit diesem großartigen Mythos amerikanischer Unfehlbarkeit konkurriert, den wir aufgebaut haben.«
»Wie gefällt Ihnen diese Theorie…«, sagte Falcón. »Sie wollten über seinen Geisteszustand Bescheid wissen, weil Sie sich Sorgen gemacht haben, dass er über Informationen verfügte, die wichtige Mitglieder der US-Regierung jener Zeit weiter belasten könnte. Den Außenminister zum Beispiel.«
»Wir haben uns Sorgen gemacht, dass er, falls er etwas in der Hand hatte, nach Möglichkeiten suchen könnte, es gegen uns zu verwenden, aber wir wussten nicht, was es sein könnte.«
»Wer ist ›wir‹?«
»Das ist alles, was ich in dieser Angelegenheit sagen werde«, erwiderte Flowers. »Sie haben gesagt, dass Sie sich nur dafür interessieren, ob Krugman ihn umgebracht hat, und ich kann Ihnen versichern, dass er das nicht getan hat. Geben Sie sich damit zufrieden.«
»Wie kann ich mir dessen sicher sein?«
»Weil Marty Krugman am Abend von Rafael Vegas Tod von zwei bis fünf Uhr nachts mit mir zusammen war«, sagte Flowers. »Ich habe eine Aufzeichnung dieses Treffens mit Uhrzeit und Datum, weil es im amerikanischen Konsulat stattgefunden hat.«
NEUNUNDZWANZIG
Mittwoch, 31. Juli 2002
A uf dem Weg in die Jefatura gönnte sich Falcón einen café solo in der Avenida de Argentinia. Er fühlte sich matt und niedergeschlagen wie alle anderen Gäste auch. Die Hitze hatte die natürliche alegría aus den Sevillanos gewrungen, sodass nun eine introvertiertere Version ihrer selbst Straßen und Kneipen bevölkerte.
Im Büro waren weder Ramírez noch Ferrera zu sehen. Er nahm die Kassetten von den Verhören der beiden Brandstifter und das aus Montes’ Finca gestohlene Originalvideo und ging hoch zu Elviras Büro. Auf der Treppe traf er Ramírez.
»Ich habe noch einmal mit den Brandstiftern gesprochen und sie gefragt, woher sie Montes kannten«, sagte Ramírez. »Vor zwanzig Jahren hat Montes eine Jugendfußballmannschaft für benachteiligte Kinder trainiert. Sie waren in seinem Team. Ich habe das gerade bei einem Inspector von GRUME überprüft und mir die Akten noch einmal gründlich angesehen. Montes hat bei all ihren Konflikten mit dem Gesetz immer versucht, ihnen zu helfen.«
»Wussten sie, dass Montes sich umgebracht hat?«
Ramírez schüttelte den Kopf und wünschte ihm viel Glück bei Elvira.
Falcón wurde nicht zu dem Comisario vorgelassen, durfte nicht einmal im Büro seiner Sekretärin warten. Sie platzierte ihn mit einem einzigen Wort der Erklärung im Flur: Lobo.
Zehn Minuten später wurde er hereingerufen. Lobo stand am Fenster, die Arme vor der Brust verschränkt – angespannt und wütend. Elvira saß mit verhärmten Gesichtszügen an seinem Schreibtisch, als hätte er die ganze Nacht dort verbracht.
»Was haben Sie für uns?«, fragte Lobo, in seinem Zorn die Befehlskette ignorierend.
»Zwei Audiokassetten mit den Verhören der Brandstifter…«
»Haben sie Ignacio Ortega belastet?«
»Nein, sie haben Alberto Montes belastet.«
Lobo
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