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Die Toten von Santa Clara: Roman (German Edition)

Die Toten von Santa Clara: Roman (German Edition)

Titel: Die Toten von Santa Clara: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Wilson
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gewesen.
    Marty Krugman war groß und langgliedrig, manche würden vielleicht hager sagen, mit einer markanten Nase, die von vorne gesehen dünn wie eine Klinge aussah. Seine Augen lagen dicht beieinander und tief in ihren Höhlen, verborgen unter buschigen Augenbrauen, die zu trimmen seine Frau aufgegeben hatte. Er sah nicht aus wie ein Mann, der viel schlief. Aus einer Chromkanne goss er sich eine Tasse dickflüssigen Espresso nach der anderen ein. Marty war nicht fürs Büro gekleidet. Er trug ein grobes Baumwollhemd mit einem blauen Streifen über seinen verwaschenen Jeans, dazu Outward-Bound-Sandalen. Er hatte ein Bein über das andere geschlagen und klammerte sich an sein Schienbein, als würde er an einem Ruder ziehen.
    »Hab meine Jugend in Kalifornien verbracht«, sagte er. »In Berkeley Ingenieurwissenschaften studiert. Dann bin ich ein paar Jahre ausgestiegen, habe in Taos, New Mexiko, gemalt und Reisen nach Zentral- und Südamerika unternommen. Mein Spanisch ist das reinste Kauderwelsch.«
    »War das Ende der 60er Jahre?«, fragte Falcón.
    »Und in den 70ern. Ich war ein Hippie, bis ich die Architektur entdeckt habe.«
    »Kannten Sie Señor Vega schon, bevor Sie hierher gekommen sind?«
    »Nein. Wir haben ihn über den Makler kennen gelernt, der uns das Haus vermietet hat.«
    »Hatten Sie irgendeine Arbeit?«
    »Zu dem Zeitpunkt nicht. Wir haben es locker angehen lassen. Es war ein Glück, dass wir Rafael in den ersten Wochen kennen gelernt haben. Wir sind ins Gespräch gekommen, er hatte von einigen meiner Arbeiten in New York gehört und mir neue Projekte angeboten.«
    »Es war ein großes Glück«, sagte Madeleine, als wäre sie dem heimischen Stall entflohen, wenn es so nicht verlaufen wäre.
    Maddy trug statt der weißen Leinenhose jetzt einen knielangen Rock, dessen Stoff sich über dem cremefarbenen Lederstuhl bauschte. Mehrmals in der Minute schlug sie ihre sehr weißen Beine übereinander, und Falcón, der ihr direkt gegenübersaß, ärgerte sich, dass er jedes Mal hinsah. Bei jeder Bewegung bebten ihre Brüste unter dem blauen Seidentop. Das unter ihrer weißen Haut fließende Blut schien hormonelle Schallwellen in den Raum auszusenden. Marty wirkte für all das unempfänglich. Er sah sie nicht an und reagierte auf nichts, was sie sagte. Wenn sie sprach, schaute sie unentwegt Falcón an, der seinerseits Mühe hatte, in einem Raum, der komplett zur erogenen Zone geworden war, einen Ruhepunkt für seinen Blick zu finden.
    »Meine Mutter ist gestorben, und ich habe ein wenig Geld geerbt«, sagte Maddy. »Wir haben uns überlegt, eine Pause zu machen und eine Weile in Europa zu leben… die Stätten unserer Hochzeitsreise abzuklappern: Paris, Florenz, Prag. Stattdessen sind wir in die Provence gefahren, und Marty musste dann nach Barcelona, und so führte eins zum anderen, und wir sind hier gelandet. Sevilla geht einem ins Blut. Sind Sie Sevillano, Inspector Jefe?«
    »Nicht direkt«, sagte er. »Wann war das?«
    »Im März vergangenen Jahres.«
    »Wollten Sie eine Pause von irgendetwas Bestimmten machen?«
    »Es war bloß Langeweile«, sagte Marty.
    »Kam der Tod Ihrer Mutter plötzlich, Señora Krugman?«
    »Man hat Krebs diagnostiziert, und zehn Wochen später ist sie gestorben.«
    »Das tut mir Leid«, sagte Falcón. »Was hat Sie denn in Amerika gelangweilt, Señor Krugman?«
    »Sie können uns Maddy und Marty nennen, wenn Sie wollen«, sagte sie. »Wir haben es lieber leger und locker.«
    Ihre perfekten weißen Zähne blitzten zu einem zwei Zentimeter breiten Lächeln hinter ihren chiliroten Lippen auf und waren sofort wieder verschwunden. Sie spreizte die Finger auf der Lehne des Ledersessels und schlug wieder das eine Bein über das andere.
    »Mein Job«, sagte Marty. »Mich hat die Arbeit gelangweilt, die ich gemacht habe.«
    »Nein, das stimmt nicht«, sagte sie, und ihre Blicke trafen sich zum ersten Mal.
    »Sie hat Recht«, sagte Marty und wandte sich langsam wieder Falcón zu. »Warum sollte ich sonst hier arbeiten, wenn mich mein Job gelangweilt hat? Ich war gelangweilt von dem Leben in Amerika. Ich dachte nur nicht, dass Sie das interessieren würde. Es ist kein Detail, das Ihnen helfen wird herauszufinden, was mit den Vegas geschehen ist.«
    »Ich interessiere mich für alles«, sagte Falcón. »Fast jeder Mord hat ein Motiv…«
    »Mord?«, fragte Maddy. »Der Beamte am Tor hat mir erzählt, es wäre Selbstmord gewesen.«
    »Auch ein Selbstmord, wenn es das war, ist durch

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