Die Toten von Santa Clara: Roman (German Edition)
ziemlich oft eine Travestie, selbst in den besten Arenen. Es gibt Vorstellungen nur für Frauen und andere…«
»…noch schlimmere Dinge?«, vollendete Maddy seinen Gedanken.
»Griechische Tragödien sind heutzutage recht selten«, sagte Falcón, »Seifenopern hingegen nicht.«
»Und wie sollen wir in einer solchen Welt nobel bleiben?«
»Man muss sich auf die großen Dinge konzentrieren«, sagte Falcón. »Wie Liebe. Mitgefühl. Ehre… und dergleichen.«
»Das klingt mittlerweile fast mittelalterlich«, sagte sie.
Sie schwiegen. Er hörte, wie Ferrera das Haus verließ. Sie ging am Fenster des Arbeitszimmers vorbei.
»Sie haben gestern etwas auf Englisch zu mir gesagt«, setzte er an und wollte sie jetzt wirklich loswerden.
»Ich kann mich nicht erinnern«, gab sie zurück. »Hat es Sie wütend gemacht?«
»Keep smiling haben Sie mir geraten.«
»Ja, aber heute ist ein neuer Tag«, sagte sie. »Ich habe gestern Abend Ihre Geschichte im Internet nachgelesen.«
»Sind Sie deswegen heute Morgen rübergekommen?«
»Ich bin nicht zum Aasfressen hier – egal was Sie von meinen Fotos halten.«
»Ich dachte, die Geschichten Ihrer Objekte, die Ursache ihrer inneren Konflikte, würden Sie nicht interessieren.«
»Hier geht es nicht um meine Arbeit.«
»Aber leider um meine. Ich muss weitermachen, Señora Krugman. Wenn Sie mich also entschuldigen…«, sagte er.
Es klingelte, und er stand auf, um die Tür zu öffnen.
»Ich habe mich ausgesperrt, Inspector Jefe«, sagte Ferrera.
Maddy Krugman schlenderte zwischen den beiden hinaus. Ferrera folgte Falcón ins Arbeitszimmer, wo er wieder auf dem Schreibtischstuhl Platz nahm.
»Schießen Sie los«, sagte er, starrte aus dem Fenster und fragte sich, was Maddy Krugman im Schilde führte.
»Señora Vega war manisch depressiv«, sagte Ferrera.
»Wir wissen, dass sie unter Schlafstörungen litt.«
»Auch in seinem Nachtschränkchen findet sich ein ziemliches Sortiment von Medikamenten.«
»Das war, soweit ich mich erinnere, abgeschlossen, und die Schlüssel sind hier.«
»Lithium zum Beispiel«, sagte Ferrera. »Wahrscheinlich hat er ihr ihre Tabletten ausgehändigt… dachte er jedenfalls. Ich habe in ihrem Kleiderschrank einen Nachschlüssel gefunden, zusammen mit einem Vorrat von achtzehn Schlaftabletten. Dort gibt es auch jede Menge anderer Indizien für zwanghaftes Verhalten. Im Kühlschrank habe ich einen Haufen Schokolade entdeckt und im Gefrierschrank mehr Eis, als ein kleines Kind je essen könnte.«
»Was ist mit der Beziehung zu ihrem Mann?«
»Ich bezweifle, dass sie noch miteinander geschlafen haben, wenn man ihren Zustand bedenkt«, sagte sie. »Wahrscheinlich hat er sich seinen Sex anderswo geholt… was sie jedoch nicht davon abgehalten hat, eine teure Kollektion von Reizwäsche zu kaufen.«
»Was ist mit dem Kind?«
»Auf ihrem Nachttisch stand ein Foto von ihr und ihrem Kind direkt nach der Geburt. Sie sieht fantastisch aus – strahlend, schön und stolz. Ich glaube, es ist ein Foto, das sie häufig betrachtet hat. Es hat sie an die Frau erinnert, die sie einmal war.«
»Postnatale Depression?«
»Könnte sein«, sagte Ferrera. »Sie ist nicht viel aus dem Haus gekommen. Unter ihrem Bett liegen Stapel von Versandhauskatalogen.«
»Sie hat ihr Kind ziemlich oft bei einer Nachbarin übernachten lassen.«
»Es ist schwer, zurechtzukommen, wenn einem das Leben so entgleitet«, sagte Ferrera, und ihr Blick wanderte zu der mit Lippenstift verschmierten Kaffeetasse. »War das die Nachbarin?«
»Nein, eine andere«, sagte Falcón kopfschüttelnd.
»Sie sah auch nicht aus wie der mütterliche Typ.«
»Was ist Ihrer Meinung nach hier passiert?«, fragte Falcón.
»In diesem Haus spürt man genug Verzweiflung, um sich vorstellen zu können, dass er, nachdem er beschlossen hatte, sich umzubringen, sie vorher töten musste, um sie von ihrem Leid zu erlösen.«
»Warum hat er ihr den Kiefer ausgerenkt?«
»Um sie bewusstlos zu schlagen?«
»Klingt das nicht zu gewalttätig? Sie war wahrscheinlich ohnehin schlaftrunken.«
»Vielleicht hat er es getan, um die Gewaltbereitschaft in sich zu mobilisieren«, meinte Ferrera.
»Vielleicht hat sie auch den Todeskampf ihres Mannes mitbekommen und den Mörder überrascht, der sich dann um sie kümmern musste«, sagte Falcón.
»Wo ist der Block, auf dem Señor Vega seine Botschaft geschrieben hat?«
»Gute Frage. Er wurde nicht gefunden. Aber es ist auch möglich, dass es ein alter Zettel war,
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