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Die Toten von Santa Clara: Roman (German Edition)

Die Toten von Santa Clara: Roman (German Edition)

Titel: Die Toten von Santa Clara: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Wilson
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Strafgerichtshof, über das Tribunal, das ihn ersetzen sollte, über den Kreuzzug des spanischen Richters Baltasar Garzón sowie die Feinheiten und Möglichkeiten des belgischen Rechtssystems, internationale Kriegsverbrecher vor Gericht zu stellen.
    Es klingelte. Falcón verschloss den Schrank und ging zur Tür. Draußen stand Señora Krugman in einem Oberteil aus schwarzem Leinen und einem asymmetrisch geschnittenen Rock mit dunkelroter Seidenschärpe. In ihrer schneeweißen Hand hielt sie eine Thermoskanne aus Plastik.
    »Ich dachte, Sie hätten vielleicht gerne einen Kaffee, Inspector Jefe«, sagte sie. »In spanischer Stärke, nicht das amerikanische Spülwasser.«
    »Ich dachte, in Amerika hätte es eine Kaffee-Revolution gegeben«, sagte er, während er an andere Dinge dachte.
    »Sie ist nicht überallhin vorgedrungen«, sagte sie. »Eine Garantie gibt es nicht.«
    Er ließ sie eintreten und schloss die Tür gegen die groteske Hitze. Diese Störung war ihm überhaupt nicht recht. Maddy holte Tassen und Untertassen, und er rief nach Ferrera, die jedoch keinen Kaffee wollte. Sie gingen in Vegas Arbeitszimmer und setzten sich an den Schreibtisch. Maddy rauchte und schnippte Asche auf ihre Untertasse, ohne ein Gespräch anzufangen. Ihre physische, oder genauer gesagt, ihre sexuelle Präsenz füllte den Raum. Falcón war nach wie vor übel, und er hatte ihr nichts zu sagen. Seine Gedanken rasten, während er seinen Kaffee trank.
    »Mögen Sie Stierkämpfe?«, fragte sie schließlich mit einem Blick auf das Plakat hinter ihm, als die Stille beinahe ohrenbetäubend geworden war.
    »Früher bin ich oft hingegangen«, sagte er, »aber ich war seit… nun ja seit über einem Jahr nicht mehr dort.«
    »Marty wollte nicht mit mir hingehen«, sagte sie, »also habe ich Rafael gefragt. Wir sind mehrmals dort gewesen. Ich habe es nicht verstanden, aber es hat mir gefallen.«
    »Viele Ausländer verstehen es nicht«, sagte Falcón.
    »Ich war überrascht«, meinte sie, »wie schnell die Gewalt erträglich wurde. Als ich sah, wie die erste Lanze eines Pikadors ihr Ziel traf, dachte ich, dass ich es nicht aushalten könnte, aber es schärft irgendwie die Sicht, wissen Sie. Einem ist nicht klar, wie weich unser Blick auf den Alltag ist, bis man bei einem Stierkampf war. Alles sticht hervor. Alles ist klar konturiert. Als ob der Anblick von Blut und die Aussicht des Todes etwas Atavistisches in uns weckt. Ich habe mich unwillkürlich auf eine andere Bewusstseinsebene eingestimmt oder genauer gesagt, eine archaische Bewusstseinsebene, die die Langeweile in unserem Leben mit der Zeit zugedeckt hat. Beim dritten Stier war ich schon einigermaßen an das Spektakel gewöhnt, und das Glitzern des Blutes, das aus einer besonders tiefen Lanzenwunde quoll und über das Vorderbein des Tiers sprudelte, war nicht nur erträglich, sondern regelrecht elektrisierend. Wir müssen auf Gewalt und Tod programmiert sein, meinen Sie nicht auch, Inspector Jefe?«
    »Ich erinnere mich an die rituelle Erregung in den Gesichtern der Marokkaner in Tanger, wenn sie zu Aid el Kebir ein Schaf getötet haben«, sagte Falcón.
    »Stierkämpfe müssen eine Weiterentwicklung davon sein«, sagte sie. »Das Ritual, das Theater, der Kitzel… aber da ist noch mehr. Leidenschaft zum Beispiel und natürlich… Sex.«
    »Sex?«, fragte er, und der Whisky in seinem Bauch schwappte hin und her.
    »Diese schönen Männer in ihren engen Kostümen, die mit jedem Muskel ihres Körpers eine so elegante Vorstellung geben angesichts schrecklicher Gefahr und… ihres möglichen Todes. Das ist der Gipfel der Erotik, finden Sie nicht?«
    »So sehe ich das nicht.«
    »Wie sehen Sie es denn?«
    »Ich gehe hin, um den Stier zu sehen«, sagte Falcón. »Der Stier steht immer im Mittelpunkt. Es ist seine Tragödie, und je edler er ist, desto prachtvoller wird seine Tragödie sein. Der Torero ist dazu da, der Vorstellung Gestalt zu geben, die noblen Eigenschaften des Stieres zum Vorschein zu bringen, ihn am Ende zu erlegen und uns, dem Publikum, damit seine Katharsis zu geben.«
    »Man merkt eben, dass ich Amerikanerin bin«, sagte sie.
    »So sehen es nicht alle«, erwiderte Falcón. »Manche Toreros glauben, dass sie dazu da sind, den Stier zu beherrschen oder sogar zu demütigen, um so ihren männlichen Mut zu beweisen.«
    »Das habe ich auch gesehen«, sagte sie, »wenn sie ihre Genitalien in Richtung des Stiers stoßen.«
    »Ja-a-a«, sagte Falcón nervös. »Das Spektakel ist

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