Die Toten von Santa Clara: Roman (German Edition)
Laptop war ins Labor gebracht worden, sein Platz mit Klebestreifen markiert. Auf dem Schreibtisch stand nur noch das Telefon. Er ging die Liste der einprogrammierten Nummern durch. Es waren Büronummern, Vázquez’ Durchwahl sowie die Nummern von Consuelo und den Krugmans. Das Feld der letzten Kurzwahltaste war nicht ausgefüllt. Er nahm den Hörer ab und drückte die Taste.
» Dá… sdrastvutje, Wasili «, sagte eine Stimme, die offensichtlich jemand anderen erwartet hatte.
»Ihre Nummer ist in unserer großen Verlosung gezogen worden«, sagte Falcón. »Ich freue mich, Ihnen mitteilen zu können, dass Sie und Ihre Frau einen Preis gewonnen haben. Sie müssen mir nur Ihren Namen und Ihre Adresse nennen, und ich sage Ihnen, wo Sie Ihren wundervollen Preis abholen können.«
»Wer sind Sie?«, fragte die Stimme auf Spanisch mit starkem Akzent.
»Bitte erst Ihren Namen und Ihre Adresse.«
Eine Hand wurde auf die Muschel gelegt, und man hörte gedämpfte Stimmen.
»Was ist der Preis?«
»Name und…«
»Sagen Sie mir den Preis«, unterbrach der Mann ihn brutal.
»Es ist eine Armbanduhr für Sie und Ihre…«
»Ich habe eine Uhr«, sagte er und knallte den Hörer auf die Gabel.
Falcón nahm sich vor, Vázquez nach den Russen zu fragen. Die Schreibtischschubladen offenbarten nichts Ungewöhnliches. Die Heckler & Koch war ebenfalls ins Labor gebracht worden. Mit dem Schlüssel, den er am Tag zuvor gefunden hatte, öffnete er die Aktenschränke und ging die Unterlagen von Telefongesellschaft, Bank und Versicherungen durch. Dabei stieß er auf einen in Leder gebundenen Terminkalender mit Adressbuch.
Die Termine waren privater Natur, und es gab nur vereinzelt Einträge. Meistens stand neben der Uhrzeit nur ein X, und es waren hauptsächlich Abendtermine. Falcón blätterte zur Noche de Reyes und entdeckte auch dort ein X. Der erste Termin, der tagsüber stattgefunden hatte, fand sich im März und war mit einem Dr. A gekennzeichnet. Im Juni gab es weitere Treffen mit Dr. A und eines mit einem Dr. D. Im Adressbuch fand Falcón eine Liste von Ärzten – die Médicos Álvarez, Diego und Rodríguez. Er blätterte zurück zu dem Terminplaner und stellte fest, dass Dr. R. der letzte Arzt war, den Vega konsultiert hatte. Er rief ihn an und verabredete ein Gespräch um die Mittagszeit.
Dann ging er das Adressbuch durch, es enthielt nur Namen und Telefonnummern. Er fand auch Raúl Jiménez, der jedoch durchgestrichen war. Beim Blättern stachen ihm weitere Namen ins Auge. Viele von ihnen kannte er von der Ermittlung im Mordfall Raúl Jiménez – Leute aus dem Rathaus und von den Stadtwerken. Ein Name rief besonders starke Erinnerungen an jene turbulente Zeit wach – Eduardo Carvajal. Er war ebenfalls durchgestrichen. Auch er war tot, wie Raúl Jiménez. Falcón hatte die Verbindung zwischen den beiden Männern nie ganz klären können, hatte nur entdeckt, dass Jiménez Carvajal während der Expo 92 über eine Scheinfirma, eine Consulting-Agentur, honoriert hatte. Carvajal war 1998 bei einem Verkehrsunfall an der Costa del Sol ums Leben gekommen, kurz bevor es wegen seiner Verwicklung in einen Pädophilen-Ring zum Prozess gegen ihn gekommen war.
Auch Ortegas Name fand sich in dem Adressbuch wieder, doch es war erst der letzte Eintrag, der Falcón aufspringen und durchs Haus laufen ließ, auf der Suche nach bedeutenden Kunstwerken – ohne Erfolg. Die Nummer von Ramón Salgado, ehemals einer der renommiertesten Kunsthändler Sevillas, war ebenfalls durchgestrichen gewesen. Vielleicht hatte Vega Construcciones in Kunst investiert oder ein Werk für das Hauptbüro gekauft, doch da war auch die beunruhigende Erinnerung an die Kinderpornografie, die sie nach Salgados brutaler Ermordung auf seiner Festplatte entdeckt hatten. In diesen Kreisen kannte jeder jeden, Glieder einer goldenen Kette aus Reichtum und Einfluss. Eine weitere Frage für Vázquez.
Russische Namen standen nicht in dem Adressbuch, und er legte es wieder in den Aktenschrank, bevor er sich den nächsten Schrank vornahm, der Aktenordner mit Architekturzeichnungen und Fotos von Gebäuden enthielt. In der untersten Schublade des dritten Schranks fand er einen Ordner ohne Registraturnummer, auf dem nur Justicia stand. Er enthielt aus dem Internet ausgedruckte Seiten, die meisten auf Englisch und fast alle aus diesem Jahr, über eine Reihe von Themen, hauptsächlich jedoch über internationale Rechtsprechung. Des Weiteren gab es Artikel über den Internationalen
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