Die Toten von Santa Clara: Roman (German Edition)
Kopfsteinpflaster rüttelte seine Eingeweide durch. Trotz seiner Müdigkeit fühlte er sich zu unruhig fürs Bett. Er startete den Computer in seinem Arbeitszimmer und ging sämtliche Fotos durch, die er seit dem Wochenende gemacht hatte. Dabei blickte er immer wieder zu dem Schnappschuss von Inés an der Wand und verglich ihn mit seinen eigenen Aufnahmen, in der Hoffnung, sich an ihn zu erinnern. Vergeblich. Er goss sich ein Glas Whisky ein und ließ die Flasche in der Küche stehen.
Er wollte den Computer gerade wieder ausschalten, als er sich daran erinnerte, dass Maddy Krugman ihm erzählt hatte, dass sie seine Geschichte im Internet gelesen hatte. Er loggte sich ein und gab ihren Namen in die Maske einer Suchmaschine ein. Es gab mehrere tausend Treffer, die hauptsächlich einen politischen Kommentator namens John Krugman und einen Redakteur der New York Times namens Paul Krugmann betrafen. Falcón gab den Namen Madeleine Coren ein, und diesmal erhielt er nur gut dreihundert Treffer, unter denen er rasch Bezüge auf ihre fotografische Arbeit fand. Es waren vor allem ältere Artikel und ein paar Kritiken über ihre Ausstellung, und stets wurde ein Foto der atemberaubend schönen, jungen Madeleine Coren abgebildet, die unnahbar wirkte und immer schwarz trug. Er klickte weiter gegen seine Langeweile an, als ihm ein kurzer Artikel aus der St. Louis Times ins Auge sprang. Mordermittlung des FBI: Die Fotografin Madeleine Coren hatte dem FBI bei der Untersuchung des Mordes an dem iranisch-stämmigen Teppichhändler Reza Sangari geholfen. Der Artikel war am 15. Oktober 2000 im Lokalteil erschienen.
Madeleine Coren
in FBI-Mordermittlung
Die New Yorker Fotografin Madeleine Coren hat dem FBI bei einer Mordermittlung geholfen, nachdem man den Teppichhändler Reza Sangari erschlagen in seiner Wohnung in der Lower Eastside entdeckt hatte. Das FBI wollte nicht bekannt geben, warum Ms Coren im Zusammenhang mit dem Mord an dem Iraner vernommen wurde. Man erklärte lediglich, dass die 36jährige Fotografin, deren jüngste Ausstellung ›Minute Lives‹ bis vor kurzem im St. Louis Art Museum zu sehen war, nicht tatverdächtig sei. John und Martha Coren, die nach wie vor in Belleville, St. Clair, wohnen, wollten die Befragung ihrer Tochter durch das FBI nicht kommentieren. Maddy Coren lebt zur Zeit mit ihrem Mann, dem Architekten Martin Krugman, in Connecticut.
Der Name des Journalisten war Dan Fineman, und nachdem Falcón den Artikel mehrmals durchgelesen hatte, fiel ihm der gehässige Unterton auf, zumal der Neuigkeitswert der Nachricht kaum die Spalten wert war, die der Artikel einnahm. Er gab »Minute Lives« in die Suchmaschine ein und stieß auf eine Kritik mit der Überschrift »Inhaltlich flach und ohne Format«, die ebenfalls von einem gewissen Dan Fineman verfasst worden war. Der Mann war offensichtlich nicht gut auf Maddy Krugmann zu sprechen.
Dann gab Falcón den Namen Reza Sangari in die Suchmaschine ein. Über seine Ermordung war lokal und landesweit ausführlich berichtet worden, sodass Falcón die ganze Geschichte rekonstruieren konnte.
Reza Sangari war gerade dreißig Jahre alt gewesen und gebürtig aus Teheran. Seine Mutter stammte aus einer Bankiersfamilie, sein Vater hatte seine eigene Teppichfabrik geleitet, bis er das Land 1979 wegen der iranischen Revolution verlassen hatte. Reza wurde in der Schweiz erzogen und ging anschließend in die USA, um an der Columbia University in New York Kunstgeschichte zu studieren. Nach seinem Examen kaufte er ein Lagerhaus in der Lower East Side – seine Firma für Export und Import von Teppichen. Die erste Etage wandelte er in eine Wohnung um, in der am 13. Oktober 2000 auch seine Leiche entdeckt wurde. Drei Tage zuvor hatte er mit einem stumpfen Gegenstand zwei Schläge auf den Kopf bekommen, die nicht tödlich gewesen waren, in deren Folge er jedoch seitlich gegen ein Bettgestell aus Messing gefallen war, was dann letztendlich zu seinem Tod geführt hatte. Die Waffe, mit der ihm die Kopfverletzungen zugefügt worden waren, war nie gefunden worden. Wegen der weit reichenden Ermittlungen und der internationalen Kundenliste Sangaris hatte das FBI die Ermittlungen von der New Yorker Mordkommission übernommen und sämtliche Kunden und Bekannten des Iraners kontaktiert. Dabei fand man auch heraus, dass er zwar keine feste Beziehung, aber Verhältnisse mit einer Reihe von Frauen gehabt hatte. Spuren eines Einbruchs wurden nicht gefunden, offenbar war auch nichts gestohlen
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