Die Toten von Santa Clara: Roman (German Edition)
Klimaanlage der Welt ankam. Falcón ging hinauf zu Calderóns Büro im ersten Stock mit Blick auf den Parkplatz und die Busstation am El Prado de San Sebastián. Der Staatsanwalt rauchte, und in seinem Aschenbecher lagen bereits sechs bis auf den Filter heruntergebrannte Stummel. Falcón schloss die Tür. Calderón hatte dunkle Ringe unter den Augen und noch immer den intensiven Gesichtsausdruck eines Menschen, der nach einem Erlebnis in der Wildnis in die Zivilisation zurückgekehrt war. Falcón breitete den Obduktionsbericht und die Polizeiberichte vor ihm aus und setzte sich.
Calderón las schnell, während sein juristischer Verstand die Fülle detaillierter Informationen verarbeitete. Dann lehnte er sich mit einer neuen Zigarette zurück und musterte Falcón. Er schien im Begriff, etwas Persönliches zu sagen, schwenkte dann aber doch um, als hätte er Angst, zu früh zu direkt zu werden.
»Was halten Sie von all dem, Javier?«, fragte er. »Der Obduktionsbericht legt nicht unbedingt den Grundstein für eine Mordermittlung. Ich bin überrascht, dass der Médico Forense nicht bereit war, sich konkreter festzulegen.«
»Offiziell«, sagte Falcón. »Inoffiziell ist er wie wir alle in der Jefatura auch äußerst skeptisch, dass es sich um Selbstmord handelt, weshalb er Señor Vegas Leiche auch noch nicht zur Bestattung freigeben will.«
»Lassen Sie uns den Geisteszustand der Verstorbenen betrachten«, sagte Calderón. »Señora Vega hatte so ernsthafte psychische Probleme, dass sie Lithium genommen hat. Ihr Mann hat sich nicht nur seltsam verhalten, wie wir auf Madeleine Krugmans Fotos gesehen haben, sondern wegen seiner Angstzustände auch zwei, möglicherweise sogar drei Ärzte konsultiert.«
Falcón wusste, dass Calderón ihren Namen ausgesprochen hatte, weil er den süßen Geschmack auf Zunge und Lippen spüren wollte. Er entschied, dass er die Downloads aus dem Internet besser in seinem Aktenkoffer ließ.
»Der Tatort…«, setzte er an.
»Ja, der Tatort«, sagte Calderón. »Offenbar lässt er die verschiedensten Schlüsse zu. Selbstmord oder Mord mit einer bis drei beteiligten Personen. Sie haben keine Verdächtigen. In keinem Bericht wird auch nur der Hauch eines Motivs erwähnt. Sie haben keine Zeugen. Und der Gärtner Sergej wird weiterhin vermisst.«
»Daran arbeiten wir. Wir haben ein Foto von ihm und wissen, dass er kürzlich mit einer Frau in einer Kneipe in der Nähe des Hauses der Vegas gesehen wurde. Wir klappern Santa Clara und den Polígono San Pablo ab«, berichtetet Falcón. »Was das Motiv betrifft, müssen wir uns weiter auf die Verbindung zu den Russen konzentrieren und…«
»Wir sollten keine allzu großen Hoffnungen auf die Russen setzen, bevor wir durch die Aussagen des Buchhalters sicher wissen, wer sie sind und wie tief sie in die Sache verwickelt sind. Ich weiß, dass in Marbella und anderen Orten entlang der Costa del Sol im großen Stil Geld gewaschen wird, aber in Sevilla haben wir bisher nur die Aussage von Pablo Ortega, der beobachtet hat, wie ein paar Russen vor sieben Monaten einen Privatbesuch gemacht haben.«
»Ich bin am Mittwochabend von einem blauen Seat mit in Marbella gestohlenen Nummernschildern bis nach Hause verfolgt worden, und auf Vegas Baustellen arbeiten viele illegale Russen und Ukrainer«, sagte Falcón. »Der Tatort und die Leichen, die Beziehung des Verstorbenen zu seinem Sohn sowie potenziell bedrohliche äußere Einflüsse, all das wirft genug Fragen auf, um weitere Ermittlungen zu rechtfertigen.«
»Okay, was die Russen betrifft, haben Sie vielleicht Recht. Wir sollten sehen, dass wir diesen Aspekt konkretisieren«, sagte Calderón. »Wenn wir für einen Moment von der Selbstmord-Theorie ausgehen, was ist dann mit dem Jungen?«
»Vegas häusliche Verhältnisse waren keineswegs völlig desolat. Sogar Señor Cabello, der keine große Zuneigung zu seinem Schwiegersohn hegt, hat eingeräumt, dass Vega sehr an dem Jungen hing«, sagte Falcón.
»Er hat Säure getrunken, anstatt sich zu erschießen, was darauf hindeuten könnte, dass er sich für unbekannte Vergehen bestrafen und gleichzeitig seinen Sohn vor dem Anblick eines gewaltsamen Todes schützen wollte. Vielleicht hat er sich umgebracht, eben weil er den Gedanken nicht ertragen konnte, dass sein Sohn etwas über ihn erfahren könnte«, sagte Calderón. »Wenn Sie einen Sohn hätten, Javier, was dürfte er nie über Sie erfahren?«
»Ich würde es schwierig finden, ihm gegenüberzutreten,
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