Die Toten von Santa Clara: Roman (German Edition)
Maddys Verwicklung in eine Mordermittlung des FBI erst zur Sprache bringen, wenn er sich der Fakten sicher war. Als er seine Anwältin Isabel Cano anrief, tat es ihm Leid um die beiden Leben, die er auf dem Weg in ihr Unglück sah.
Seine Anwältin erklärte sich einverstanden, ihn für maximal zehn Minuten zu treffen. Er fuhr zu ihrer kleinen Kanzlei in der Calle Julio César und ging an den drei Jurastudenten im Vorzimmer vorbei in ihr Büro. Sie empfing ihn barfüßig. Er setzte sich und erläuterte ihr seinen Vorschlag, sich mit Manuela zu einigen.
»Sind Sie verrückt, Javier?«
»Nicht immer«, antwortete er.
»Sie wollen ihr alles geben, worum wir im vergangenen halben Jahr gekämpft haben? Sie sind bereit, einen Verlust von, weiß der Himmel, einer halben Million Euro hinzunehmen? Warum geben wir ihr nicht noch das Mobiliar dazu?«
»Keine schlechte Idee«, sagte Falcón.
Sie beugte sich über den Tisch und sah ihn mit ihren dunkelbraunen, fast schwarzen Augen an. Ihr von langem schwarzem Haar gerahmtes maurisches Gesicht hatte einen schönen, entschlossenen Ausdruck, mit dem sie die meisten Staatsanwälte vor Gericht auf hundert Meter Entfernung zusammenschrumpfen lassen konnte.
»Murkst diese Psychologin noch in Ihrem Kopf rum?«
»Ja.«
»Hat sie Ihnen neue Medikamente verschrieben?«
»Nein.«
»Ihre Tabletten nehmen Sie aber noch?«
Er nickte.
»Nun, ich weiß nicht, was bei Ihnen da drinnen vorgeht, aber es muss sehr laut sein«, sagte sie.
»Ich möchte nicht mehr in dem Haus leben. Ich möchte nicht mehr mit Francisco Falcón leben. Manuela schon. Sie ist vollkommen besessen von dem Haus… aber sie hat kein Geld.«
»Dann kann sie es nicht haben, Javier.«
»Denken Sie wenigstens darüber nach.«
»Das habe ich schon und den Vorschlag abgelehnt – umgehend.«
»Denken Sie noch ein wenig länger.«
»Ihre zehn Minuten sind um«, sagte Isabel und zog ihre Schuhe an. »Sie können mich noch zum Wagen begleiten.«
Als sie durchs Büro schritt, bombardierten die Jurastudenten sie mit Fragen, die sie ignorierte. Ihre Absätze klackerten über den Marmorboden im Foyer.
»Ich habe noch eine Frage an Sie«, sagte Falcón.
»Hoffen wir, dass sie billiger ist als die letzte«, sagte sie, »sonst können Sie sich mich bald nicht mehr leisten.«
»Kennen Sie Juez Calderón?«
»Selbstverständlich, Javier«, sagte sie und blieb so abrupt auf der Straße stehen, dass Falcón sie anrempelte. »Ah, jetzt verstehe ich. Sie sind wegen ihm und Inés gefühlsmäßig durcheinander. Vergessen wir, dass dieses Treffen je stattgefunden hat, und wenn Sie sich wieder beruhigt haben, werden wir…«
» So durcheinander bin ich nun auch wieder nicht.«
»Was ist also mit Juez Calderón?«
»Hat er einen Ruf?«
»So lang wie Ihr Arm… länger als Ihr Bein… länger als diese Straße.«
»Was Frauen angeht… meine ich.«
Falcón starrte gespannt in ihr Gesicht und sah, wie all ihre Entschlossenheit einer gewaltigen Verletztheit wich, die kurz sichtbar wurde und gleich wieder verschwand. Sie wandte sich ab und richtete ihre Autoschlüssel auf den Wagen, der mit blinkenden Lichtern zurückgrüßte.
»Esteban ist immer ein Jäger gewesen«, sagte sie.
Sie stieg in den Wagen, fuhr davon und ließ Falcón allein mit dem Gedanken zurück, dass Isabel Cano seit mehr als zehn Jahren glücklich verheiratet war.
ZWÖLF
A uf dem Weg zu Ortega nahm Falcón einen Anruf von Jorge entgegen, der ihm berichtete, dass das für den Ausdruck von Inés’ Foto verwendete Papier ein anderes Fabrikat war als die leeren Bögen, die er ihm gegeben hatte. Der Gedanke versetzte ihn kurz in Hochstimmung, bis ihm klar wurde, dass dieser Beweis seiner geistigen Gesundheit gleichzeitig bedeutete, dass jemand in sein Haus eingedrungen sein und das Foto dort platziert haben musste. Und nicht nur das – derjenige kannte ihn und seine spezielle Verwundbarkeit ganz genau. Das Blut in seinen Adern stockte, bis er sich mit dem Gedanken beruhigte, dass schließlich jeder ihn kannte. Seit dem Skandal um Francisco Falcón war seine Geschichte öffentliches Eigentum.
Pablo Ortega kam gerade von einem Spaziergang mit seinen Hunden zurück. Falcón bremste ab, ließ das Seitenfenster herunter und fragte ihn, ob er ein paar Minuten Zeit hätte. Ortega nickte grimmig. Falcón nahm das Foto aus seinem Aktenkoffer. Ortega hielt ihm das Tor auf. Der Gestank aus der Jauchegrube war unerträglich. Sie gingen ums Haus in die Küche, wo die
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