Die Toten von Santa Clara: Roman (German Edition)
»Konzentrieren Sie sich auch weiter auf andere Details. Hat man auf dem Grundstück Salzsäure gefunden?«
»Noch nicht. Aber wir hatten bisher noch keine Gelegenheit, das Grundstück gründlich zu durchsuchen. Meine Leute sind vollauf damit beschäftigt, nach Sergej zu fahnden und Vegas Firma zu durchleuchten.«
»Sie wissen ja, was ich brauche: Motiv, Verdächtige, verlässliche Zeugen«, sagte Calderón. »Ich will nichts mehr von Sachen hören, die nicht da waren. Wenn Sie keine Salzsäure finden, ist das nur ein Indiz und bedeutet für sich genommen noch gar nichts. Keine… Gespenster mehr.«
Calderón vollführte eine ganz passable Pantomime eines an seinem Schreibtisch Ertrinkenden.
»Deswegen reden wir vor Staatsanwälten nicht gern über unsere Instinkte und Vermutungen.«
»Das war polemisch«, sagte Calderón. »Ich weiß, dass Sie sich auf die Fakten konzentrieren, aber im Augenblick haben wir nur Andeutungen und Hinweise – die Verbindung zur russischen Mafia, Vegas Obsession bezüglich internationaler Gerichte, Carvajals Pädophilen-Ring…«
»Darüber haben wir noch gar nicht gesprochen.«
»Es sind nur Namen in einem Adressbuch, einige von ihnen durchgestrichen. Das hat kein Fleisch, Javier, das sind bloß Skelette, Hirngespinste.«
»Sie tun es schon wieder.«
»Sie wissen, was ich mit Fleisch meine, und bis ich das nicht kriege, werde ich keine Mordermittlung einleiten«, sagte Calderón. »Wir treffen uns Anfang nächster Woche zu einer Besprechung des aktuellen Stands wieder, und wenn Sie mir bis dahin nichts liefern, was vor Gericht standhält, müssen wir die Sache zu den Akten legen.«
Calderón lehnte sich zurück, zündete sich eine weitere Zigarette an – er rauchte mehr als je zuvor – und verlor sich in seinen eigenen Gedanken.
»Sie wollten mich allein sprechen«, sagte Javier, nur um Calderón aus dem Tritt zu bringen.
»Abgesehen davon, dass ich nicht wollte, dass mir Inspector Ramírez mit seiner bulligen Art seinen Willen aufzwingt…«
»Er ist dieser Tage sehr viel verhaltener«, sagte Falcón. »Seine Tochter ist zu einer Reihe von Tests im Krankenhaus.«
»Hoffentlich nichts Ernstes«, erwiderte Calderón automatisch, ohne die Neuigkeit zu registrieren, weil er zu sehr mit seinem eigenen Dilemma beschäftigt war. »Ich wusste nicht, dass Sie und Inés immer noch Kontakt haben.«
»Das haben wir auch nicht«, sagte Falcón und gab eine absurd ausführliche Erklärung, wie er mit ihr im El Cairo gelandet war.
»Inés wirkte sehr nervös«, sagte Calderón.
»Schauen Sie sich an, was beim letzten Mal passiert ist, als sie geheiratet hat«, sagte Falcón, spreizte die Hände und entschied sich, den Trottel zu spielen. »Sie schien sich Sorgen zu machen, dass Sie Zweifel haben. Ich…«
»Warum sollte sie annehmen, dass ich Zweifel habe?«, fragte der Staatsanwalt, und Falcón spürte, wie sich die Speerspitze von Calderóns scharfem Verstand in seinen Kopf bohrte.
»Sie fand, dass auch Sie einen nervösen Eindruck gemacht hätten.«
»Und was haben Sie dazu gesagt?«
»Das es für einen Mann unter diesen Umständen ganz natürlich ist, nervös zu sein. Ich habe selbst die gleiche Nervosität gespürt«, sagte Falcón. »Eine Nervosität, die leicht als Zweifel missverstanden wird.«
»Haben Sie gezweifelt?«, fragte Calderón.
»Ich habe nie an ihr gezweifelt«, sagte Falcón und spürte den Schweiß an seinem Rücken hinunterströmen.
»Das war nicht die Frage, Javier.«
»Wahrscheinlich habe ich gezweifelt. Rückblickend hatte ich wahrscheinlich Angst vor Veränderung, vor meiner Unfähigkeit…«
»Inwiefern unfähig?«
Sein Stuhl quietschte, als Falcón sich unter der staatsanwaltlichen Befragung wand.
»Ich war damals ein anderer Mensch, distanzierter«, sagte Falcón. »Deswegen mache ich ja eine Therapie.«
»Und heute?«
Mit dieser letzten, milde verhaltenen Erkundigung schloss sich der Kreis von Calderóns Fragen. Falcón war beinahe dankbar für die implizierte Warnung, sich aus dem Privatleben des Staatsanwalts herauszuhalten.
»Es ist ein langwieriger Prozess«, sagte er.
Falcón saß an seinem Schreibtisch und rekapitulierte noch einmal sein Gespräch mit Calderón. Er war erleichtert, dass er seine Internetrecherche über Maddy Krugman nicht erwähnt hatte. Vielleicht wäre Calderón dann richtig auf ihn losgegangen. Der Juez wusste, dass Falcón etwas gesehen hatte. Aber wegen der delikaten persönlichen Umstände konnte Falcón
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