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Die Toten von Santa Lucia

Die Toten von Santa Lucia

Titel: Die Toten von Santa Lucia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Krohn
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Koffer im Polizeiwagen verstaut hatte, der direkt vor der Pension stand und die schmale Gasse blockierte.
    »Ich weiß«, knurrte er. »Aber Rache ist süß und das ganze Leben hier bitter wie ein Amaro Averna. Man muss es sich manchmal ein bisschen erträglicher machen.«
    Hinter ihnen begannen mehrere Autos zu hupen. Ein Vespafahrer schlängelte sich im Zentimeterabstand an ihnen vorbei. Gentilini sah auf die Uhr, schaltete das Blaulicht und das Martinshorn ein.
    »Basta! Um halb zwölf ist eine Besprechung, ich habe also nicht mehr viel Zeit und muss mit dir reden. Wir fahren jetzt ins Royalcontinental, da ist ein Zimmer für dich reserviert.«
    »Wie bitte?« Sonja sah ihn entgeistert an. »Das ist nicht dein Ernst! Ich dachte, du hast in der Pension Witze gemacht …«
    »Habe ich auch. Und jetzt bin ich wieder ganz ernst.« Er verzog den Mund. »So schnell geht das im Leben. Erst Ruckzuck und dann wieder Zuckruck …« Er trat aufs Gaspedal.
    »Woher weißt du, ob ich mir das leisten kann?«
    »Das weiß ich gar nicht. Vielleicht musst du dafür dein letztes Sommerkleid verkaufen …« Er streifte sie mit einem ironischen Blick. »Wahrscheinlich eher dein vorletztes. Nein, Spaß beiseite. Du bist natürlich mein Gast.«
    »Vergiss es. Das kann ich unmöglich annehmen …«
    Er fuhr im Slalom durch die enge Gasse, bis er in eine größere Straße mit richtigen Bürgersteigen einbog. Via Duomo.
    »Manchmal kann man mehr, als man denkt. Aber damit es dir leichter fällt: Einer meiner unzähligen Cousins ist da ein höheres Tier, quasi eine Giraffe, keine Ahnung, was er genau macht, ist ja auch egal, Hauptsache, er ist mein Cousin.«
    »Wie viele Cousins hast du denn …«
    »Viele, sehr viele. Meine Mutter hatte sieben Geschwister, mein Vater sechs. Da kommt was zusammen. Ist manchmal durchaus praktisch.«
    »Ich nehme an, deine Cousins sehen das umgekehrt auch so?«
    Gentilini lachte. »Wenn es darum geht, jemand zu seinem Recht zu verhelfen, habe ich immer ein offenes Ohr. Auf dem anderen Ohr bin ich stocktaub.« Er bremste scharf, als ein Auto ohne zu bremsen von rechts aus einer Seitenstraße in die Hauptstraße einbog. »Idiota!« Nach einer Weile sagte er. »Du hast heute Nacht davon geredet, wie lange du schon von einem Zimmer mit Meerblick träumst.«
    »Das weiß ich gar nicht mehr«, murmelte sie.
    »Aber ich«, sagte er mit leisem Triumph in der Stimme und fügte dann spöttisch hinzu: »Auch Männer sind manchmal nützlich. Zum Beispiel, um sich an die Wünsche der Frauen zu erinnern.«
    Sie überging die Anspielung. »Was habe ich noch alles erzählt?«
    Er zuckte die Schultern. »Wir waren ziemlich betrunken, aber es heißt ja, Betrunkene und Kinder sagen die Wahrheit. Wir haben von unseren Wünschen geredet.« »Du auch?«
    Er grinste. »Ich auch.«
    Er bog in die Straße ein, die wie eine Schneise quer durch das Gassengewirr vom Bahnhof zum Castel Nuovo führte. Ein Geschäft reihte sich ans nächste. Auf den Gehwegen und an den Straßenecken standen ambulante Händler, darunter auch Afrikaner, und verkauften TShirts, Socken, Modeschmuck, imitierte Markenhandtaschen, schwarz gebrannte CDs, geschmuggelte Zigaretten.
    »Und was ist dein Wunsch? Dein größter Wunsch?«
    »Sag bloß, du hast das vergessen …«
    »Ich habe alles vergessen«, fuhr Sonja ihn an. »Alles!« Dann fiel es ihr ein. »Nein, nicht alles. Du wünschst dir ein Mord-und-Totschlag-freies Wochenende mit deinen Kindern, stimmt’s?«
    Er nickte. »Sowieso.«
    »Aber da war noch mehr, oder?«
    »Erraten.«
    »Sagst du es mir?«
    »Nein.«
    Das entschiedene Nein brachte Sonja zurück auf den Boden. Was ist das überhaupt für ein blödsinniges Geplänkel?, dachte sie auf einmal ärgerlich. Als wäre Zazzera nicht tot und Luzie nicht verschwunden und womöglich in Gefahr …
    »Hat Lion sich bei dir gemeldet? Oder Maris?«
    »Leider nein. Aber ich habe etwas anderes entdeckt … Ich habe ein bisschen im Polizeicomputer gestöbert. Vielleicht täusche ich mich ja. Wenn dem so ist, trinken wir gleich auf der Hotelterrasse einen Espresso und genießen die traumhafte Aussicht, bevor ich mich wieder in meinen irre spannenden Job stürze. Wenn nicht …« Er griff mit der linken Hand in die Ablage der Fahrertür und reichte Sonja ein zusammengefaltetes Blatt Papier. »Ist er das? Ist das dein Antonio Di Napoli?«

21
    Commissario Gentilini hatte am Morgen, als er gegen halb neun verkatert sein Büro betrat, zuerst im Internet die Pagine

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