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Die Toten von Santa Lucia

Die Toten von Santa Lucia

Titel: Die Toten von Santa Lucia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Krohn
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hervorgebracht, aber der Vermieterin war anzumerken, dass sie verunsichert war und nicht wusste, ob dieser Unbekannte die letzten Worte womöglich ironisch gemeint hatte. Ob er eher als Freund einzustufen war oder als Feind. »Ich habe der Signora selbstverständlich einen extra guten Preis gemacht«, fügte sie hinzu und zwinkerte verschwörerisch, machte aber keine Anstalten, Gentilini zu Sonjas Zimmer zu führen.
    »Einen extraguten Preis«, wiederholte Gentilini. Seine Stimme hatte jetzt zusätzlich etwas Drohendes bekommen. »Für ein extrakleines Zimmer. Sagen wir, einen Schlauch von einem Zimmer. Eine Art Abstellkammer …«
    »Woher wissen Sie …? Wann haben Sie …? Waren Sie etwa …«
    Signora Russo schnappte nach Luft. Dann besann sie sich. Kehrtwende, Taktik gewechselt.
    »Es war ja alles voll, als die Signora am Montag eintraf«, sagte sie in flehentlichem Ton und rang die Hände. »Was sollte ich denn tun? Sie zurück auf die Straße schicken? Und da habe ich ihr auf die Schnelle eben das Zimmer, das ich ja eigentlich gar nicht vermiete, hergerichtet … Es wird einem nicht gedankt, wenn man etwas Gutes tut … Sagen wir einfach zweihundertfünfzig, und die Sache ist erledigt, va bene?«
    »No«, erwiderte Gentilini schroff. »Non va bene per niente.«
    Er holte seinen Ausweis hervor und schnippte damit vor den Augen der entgeisterten Zimmervermieterin ein paar unsichtbare Fussel vom Ärmel seines Jacketts. Dann nahm er eins der Faltblätter von dem Stapel auf dem Tisch und klappte es auf. Die Pension O sole mio präsentierte sich darin ähnlich wie im Internet von der allerbesten Seite und in den höchsten Tönen. Hübsche, geräumige Zimmer, ruhige Lage, Dachterrasse. »Nette Pension. Ist das irgendwo hier in der Nähe?«
    Signora Russo schnappte nach Luft. Sie war bleich geworden. »Ich …«
    Sonja war an diesem Morgen ein bisschen langsam und begriff nur zeitverzögert, was da gespielt wurde.
    »Sie haben sicherlich in den letzten Jahren die Gewerbesteuer gezahlt, oder?«, fuhr er fort. »Sie haben sicherlich auch in diesem Jahr die Lizenz erneuert, nicht wahr? Aber natürlich haben Sie das, Sie sind eine ehrliche Person, die unsere Gesetze niemals überschreiten würde, das sieht man doch auf einen Blick. Und Neapel ist ja eine touristenfreundliche Stadt, wir bemühen uns schließlich um unsere Gäste und um unseren Ruf, nicht wahr, damit es sich in Italien und in ganz Europa herumspricht, dass man nach Neapel fahren kann, ohne überfallen zu werden, ohne übers Ohr gehauen zu werden, keine Halsabschneiderei in keiner Gasse und in keiner Pension und überhaupt nirgends. Nicht wahr, Signora?« Seine Stimme war nicht lauter geworden, aber sie füllte den ganzen Raum aus.
    »Facciamo duecento«, versuchte die Signora einzulenken, aber sie hatte noch nicht begriffen, dass der Commissario nicht in Kompromisslaune war.
    »Die Signora zahlt fünfzig Euro und keinen Cent mehr«, sagte Gentilini. »Zwanzig Euro pro Nacht, und das ist noch üppig gerechnet. Man ist schließlich kein Unmensch.«
    »Das macht dann aber sech …«, wollte die Signora protestieren.
    »Und zehn Euro Rabatt, weil sie nachts kein Auge zugetan hat. Und wenn wir noch lange hier herumstehen, werden Sie sich auf einen weiteren Rabatt einlassen müssen, cara signora, das geht bei uns ruckzuck, Sie wissen ja, Zeit ist Geld …«
    Er griff in die Hosentasche, zog einen Fünfzigeuroschein hervor und legte ihn auf den Telefontisch. »Stimmt so.« Dann warf er Sonja einen grimmig-amüsierten, zuckersüßen Blick zu und schnappte sich ihren Koffer. »Cara, wohin möchtest du lieber? Ins Royalcontinental oder ins Miramare?«
    Der kleinlaute Blick der Zimmervermieterin zerfiel in tausend Scherben. »Wenn Sie möchten, kann ich Ihnen ein anderes, sehr ruhiges, sonniges Zimmer …«
    »Aber bitte mit Blick auf die Bucht von Neapel, tesoro«, rief Sonja Gentilini hinterher, der schon im Flur war. Sie griff in ihren Rucksack, zog einen Zehneuroschein aus dem Portemonnaie und legte ihn zu dem Fünfzigeuroschein auf den Tisch. »Fürs Telefonieren«, fügte sie hinzu. »Der Rest ist für Sie.«
    »Ich bin sicher, Sie kümmern sich künftig um ein ausgewogenes Preis-Leistungs-Verhältnis, nicht wahr?«, rief Gentilini Signora Russo von der Wohnungstür aus zu. »Ich schicke bei Gelegenheit jemanden vorbei, der das prüft. Vielleicht wieder einen Gast aus dem europäischen Ausland, was meinen Sie?«
    »Du bist unmöglich«, sagte Sonja, als er ihren

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