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Die Toten von Santa Lucia

Die Toten von Santa Lucia

Titel: Die Toten von Santa Lucia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Krohn
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sich daran die Zähne ausgebissen hatte. Gentilini las die Aussagen einiger Redaktionskollegen. Ein Nachbar war befragt worden, ebenso die Leute aus Di Napolis damaliger Wohngemeinschaft, einige Freunde, der Besitzer des Ladens, in dem Di Napoli sein Angelzubehör zu kaufen pflegte. Bei den Befragungen waren die unterschiedlichsten Mordthesen geäußert worden: dass Antonio von einem Edelbordell erfahren hatte, in dem diverse Politiker verkehrten, was er angeblich an die große Glocke hängen wollte; dass er sich in die Frau eines Camorrabosses verguckt hatte; dass es nichts weiter als eine tragische Verwechslung war; dass der Mord an Antonio als Warnung für andere gedacht war; dass Antonio brisantes Material im Zusammenhang mit dem Erdbeben gesammelt hatte. Undsoweiter.
    Gentilini blätterte weiter zum Prozessverlauf. Er stutzte nur kurz, als er den Namen las. Leitender Staatsanwalt war damals Gaetano Fusco gewesen, ein in Neapel hoch angesehener, mächtiger Mann, der die Camorra bekämpfte, seit Gentilini zurückdenken konnte, also seit er 1991 bei der Kriminalpolizei angefangen hatte. Jahrelang war Fusco der Hauptverantwortliche gewesen für die Prozesse gegen verhaftete Camorristen sowie für alle Kapitaldelikte, die im Umfeld der organisierten Kriminalität begangen wurden. Sein Name stand für Recht und Gerechtigkeit und den Glauben an die Demokratie.
    Schon wieder ein Fusco. Du wirst langsam zwanghaft, dachte Gentilini. Blöde Namensfixierung. Später recherchierte er ein wenig bei Interpol und versuchte mehrmals, Striano zu erreichen. Vielleicht hatte der ja eine Idee. Oder ein fehlendes Puzzleteil im Ärmel wie eine gezinkte Karte.
    »Gennaro, che piacere, schön, von dir zu hören.«
    »Ganz meinerseits, Angelo. Come va?«
    Sie tauschten sich kurz über den Gesundheitszustand von Strianos einundneunzigjähriger Mutter und das Wohlergehen beider Familien aus, Gentilini erzählte, dass er das Rauchen aufgegeben hatte. Dann kam er auf den Grund seines Anrufs zu sprechen, berichtete vom Stand der Dinge im Fall Zazzera und von der Suche nach Luzie Zorn.
    Striano hatte schon immer ein gutes Gedächtnis gehabt und liebte es, im Rückblick noch einmal in die alten Fälle einzutauchen. »Hast du schon mit dem Sohn vom alten Fusco gesprochen?«
    »Wieso Sohn?«, fragte Gentilini, aber er ahnte die Antwort bereits.
    »Franco Fusco. Das ist doch der Sohn von unserem Dottore Gaetano, der heute Morgen in der Zeitung das übliche nichtssagende Gewäsch zur katastrophalen Lage der Justiz abgesondert hat …«
    Kaum hatte er die Antwort gehört, überfiel Gentilini eine schier unbezwingbare Lust auf eine Zigarette. Seit er mit dem Rauchen aufgehört hatte, war er einem Rückfall noch nie so nah gewesen. Er ertappte sich bei der Überlegung, welchen seiner Kollegen er anschnorren könnte … So tief wollen wir nicht sinken, Gennaro, sagte er sich erschrocken. Du hast eine Abmachung mit deinem Sohn, also reiß dich gefälligst zusammen.
    Der Wohnungsvermieter Franco Fusco war also der Sohn von Dottore Gaetano Fusco. War das eins der fehlenden Puzzleteile? Doch diese überraschende Wendung sollte nicht das einzige bleiben, was Striano aus alten Tagen für ihn bereithielt.
    »Was bin ich für ein Idiot«, brüllte Gentilini, als er aufgelegt hatte. »Porcamiseria! Darauf hätte ich auch früher kommen können!«
    Dann machte er sich auf den Weg ins Nebenzimmer zu seinem Kollegen, dem Kettenraucher Domenico Basile.

32
    Das Schiff nach Stromboli war ein richtiges Schiff, keines dieser Schnellboote, die eher an ein Flugzeug im Wasser erinnerten und in einer halben Stunde nach Capri oder Ischia übersetzten. Einige Passagiere gingen mit großem Gepäck über die heruntergelassene Rampe an Bord. Sonja hatte nur einen Rucksack dabei. Es war Gentilinis Idee gewesen, ihren unhandlichen Rollkoffer bei ihm in der Wohnung zu deponieren und nur ein paar praktische Kleidungsstücke mitzunehmen. Er hatte ihr auch einen Schlafsack und eine aufblasbare Isomatte geliehen.
    Aber sie hatte es nicht zugelassen, dass er verwandtschaftsbedingt die sowieso schon minimierte Hotelrechnung übernahm. Allerdings war ihr ein wenig flau geworden angesichts der stolzen Summe für zwei nicht in Anspruch genommene Übernachtungen, und sie hatte sich zwingen müssen, hinterher nicht darüber nachzudenken, wie sie das Geld lustbringender hätte verwenden können. Klar, der Kater kam immer erst nach dem Genuss, doch der Genuss war in diesem Fall wirklich eher

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