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Die Toten von Santa Lucia

Die Toten von Santa Lucia

Titel: Die Toten von Santa Lucia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Krohn
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hell, aber die Stadt schien noch zu schlafen. Auch auf dem Kai waren nur wenige Leute unterwegs, hauptsächlich Hafenarbeiter, keine Passagiere, denn das Schiff würde erst am Abend wieder zurückfahren. Zwei Fischer tauchten unverdrossen ihre Angeln in die dunkelbraune, ölschlierige Hafenbrühe. Sonja musste bei ihrem Anblick unweigerlich an Antonio denken.
    Sie war schrecklich aufgeregt. Nachts hatte sie kaum ein Auge zugetan, und in den wenigen Augenblicken, in denen der Schlaf sie dann doch übermannte, hatte sie von Riesenwellen und zwei Riesenschiffen geträumt, die aneinander vorbeifuhren, an der Reling des einen Schiffes stand verschwindend klein Sonja, auf dem anderen ebenso klein Luzie, zwei Punkte in den Weiten des Ozeans, und riefen einander etwas zu, was bei dem Getöse der hochgischtenden Wogen und dem Gewummer der Schiffsdiesel nicht zu verstehen war …
    Ein ähnliches Schiff wie das ihrer Träume näherte sich jetzt und wurde dabei langsam größer, aber die Ausmaße hielten sich im Rahmen, und der winzig kleine dunkle Punkt an der Reling, der seit kurzem zurückwinkte, blieb nicht klein, sondern wuchs mit und wurde nach und nach tatsächlich zu Luzies Schopf. Neben ihr tauchte der Kopf eines Mannes in Uniform auf, offenbar der von Gentilini angeordnete Begleitschutz. Luzie winkte und rief etwas, was im Tuten des Schiffes unterging. Sonja winkte zurück. Sie hatte Freudentränen in den Augen. Am liebsten wäre sie auf und ab gehüpft wie ein Kind. Der Streit vor Luzies überstürzter Abfahrt, die langen Wochen ohne jede Nachricht, die Angst der letzten Tage – all das gehörte in diesem Moment der Vergangenheit an. Gleich würde sie ihre Tochter in die Arme schließen, und alles, wirklich alles war endlich gut.
    Gentilini hielt sich diskret ein paar Meter abseits. Er beobachtete das Geschehen am Kai. Alles war friedlich. Einer der Fischer zog die Angel aus dem Wasser. Er hatte einen Fisch gefangen, den er in einem Plastikeimer verschwinden ließ. Nicht ums Verrecken hätte Gentilini diesen Fisch essen mögen. Irgendwo ließ jemand ein Motorboot an. Möwen kreischten. Gerade ging Luzie als einer der letzten Passagiere von Bord. Der Polizist aus Stromboli trug ihr Gepäck, eine kleine Reisetasche. Gentilini sah, wie Luzie auf Sonja zulief, sie sich in die Arme fielen. Wie der Polizist das Gepäck neben den Frauen abstellte und sich suchend umsah. Jetzt hatte er Gentilini entdeckt, hob zum Gruß den Arm und kam auf ihn zu: »Commissario Gentilini, se non sba …« – weiter kam er nicht.
    Aus dem Augenwinkel sah Gentilini, dass plötzlich wie aus dem Nichts ein großes Motorrad neben Sonja und Luzie auftauchte – eine Hand griff nach der Reisetasche, der Fahrer gab Gas und brauste über den Kai davon.
    Gentilini zögerte nicht den Bruchteil einer Sekunde, zog seine Pistole und schoss – offenbar daneben, denn das Motorrad fuhr weiter, aber der Beifahrer schoss zurück. Jemand schrie: »In Deckung!« Auch der Polizist aus Stromboli hatte seine Waffe gezückt, einige Leute warfen sich auf den Boden oder klammerten sich hilflos aneinander, Gentilini schoss mehrfach, traf aber den Reifen nicht, das Motorrad entfernte sich und wurde immer kleiner, aber etwas Schwarzes blieb etwa zweihundert Meter entfernt auf dem Pflaster liegen. Gentilini gab noch einen letzten Schuss ab und rannte hinterher, doch das Motorrad hatte den Ausgang des Hafengebiets schon erreicht, war Richtung Osten in die Via Colombo eingebogen und aus der Sicht verschwunden. Gentilini sprintete zu der schwarzen Reisetasche und ebenso schnell wieder zurück zur Anlegestelle. Er warf die Tasche auf den Beifahrersitz des Alfa, rannte dann zu Sonja und Luzie, die wie angewurzelt dastanden, und schubste sie ohne Erklärung unsanft in Richtung Auto. Vermutlich hatte er den Sozius des Motorradfahrers erwischt, sonst hätte dieser seine Beute nicht fallen gelassen.
    Während Gentilini in ziemlichem Tempo in Richtung Hafenausgang fuhr, rief er für den Fall, dass bei dem Schusswechsel Unbeteiligte verletzt worden waren, über Handy einen Krankenwagen und gab die Angaben bezüglich des Motorrads durch – zwei Leute, wahrscheinlich männlich, bewaffnet, Helm, schwarze Lederkleidung, schweres Motorrad, dem Klang nach eine Ducati, sogar das Nummernschild hatte er bei aller Hektik mit Profiblick gespeichert. Alle hundert Meter warf Gentilini wachsame Blicke in den Rückspiegel, um zu kontrollieren, ob ihnen jemand folgte.
    Erst als sie das

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