Die Totenfalle
und fragte: »Wieso haben Sie dieses Gefühl, Yvonne?«
»Das Band ist nicht gerissen«, flüsterte sie. »Hat es denn immer bestanden?«
»Ja, davon bin ich überzeugt.«
»Und Sie haben Tabitha gemocht?«
»Wir kamen gut miteinander aus.«
»Ist es ihr denn gelungen, Sie zu überzeugen, Yvonne? Haben Sie an Tabitha und ihre Kräfte geglaubt?«
Die blonde Frau runzelte die Stirn. »Was heißt geglaubt? An mir hat sie ihre Methoden nicht ausprobieren brauchen, ich kann da nur wiederholen, was die Patienten sagten, wenn sie Tabitha verließen. Die waren stets zufrieden, sie fühlten sich besser, oft schon nach der ersten Sitzung. Es gab nicht wenige, die auf Tabitha schworen.«
»Sie ist also gut mit den Patienten ausgekommen?«
»Super sogar.«
»Tja«, sagte ich, »um so unverständlicher ist es für mich, daß sie dann sterben wollte. War sie denn krank?«
»Nein.«
»Und trotzdem…«
»Tabitha war eine besondere Frau. Sie mochte den Tod, sie mochte das Jenseits, und sie hat mir immer gesagt, daß der Tod noch längst nicht das Ende ist. Da beginnt es für manche erst, und auch sie war davon überzeugt. Das kann ich behaupten. Sie hat oft von den wunderbaren Welten gesprochen, von den Geistern, die mit ihr in Verbindung standen, denn sie brauchte ja die Informationen, um die Menschen zu heilen.«
Ich runzelte die Stirn. »Die hat sie sich aus dem Jenseits geholt?«
»Ja, so ist es immer gewesen.«
»Schwer vorstellbar.«
Suko tippte mich an. »Eigentlich nicht für uns, John, wir sind diese Dinge gewohnt. Denk nur an das Horror-Telefon, den heißen Draht zum Jenseits. Da hatten auch wir den Kontakt.«
»Das ist allerdings wahr.«
Yvonne Terry starrte auf den vollen Aschenbecher. »Diese Tote will etwas von mir, denke ich. Den Grund kann ich nicht sagen, aber ich habe das Gefühl, als wäre sie immer bei mir, obwohl ich sie nicht erkennen kann. Sie lauert in meiner Nähe, sie ist über jeden Schritt informiert, denke ich. Sie weiß genau, daß ich zu Ihnen gekommen bin, um über meine Ängste zu sprechen. Ich… ich kann es nicht fassen, es ist einfach zu schlimm.«
»Aber Sie haben den Kontakt tagsüber nie so intensiv erlebt wie in Ihren Träumen«, vermutete Suko. »So ist es.«
»Hatten Sie ihn überhaupt mal?«
»Bis jetzt noch nicht. Das heißt, heute schon. Heute ist sowieso alles anders. Dieser Tag ist etwas Besonderes für mich, denn ich weiß auch, daß ich mich nicht wehren kann. Ich werde sogar heute abend zum Friedhof gehen, und ich werde nicht die einzige sein, denn sie hat so etwas wie ein Testament hinterlassen. All die Menschen, die durch sie eine Heilung erfahren haben, sollen ihr einen letzten Besuch abstatten. Sie alle sollen sich auf dem Friedhof und um ihr Grab herum versammeln, um das Wunder zu erleben?«
»Welches Wunder?«
»Das weiß ich nicht, Mr. Sinclair.«
»Ihre Rückkehr?«
Als Yvonne zusammenzuckte, da wußte ich, daß ich ins Schwarze getroffen hatte. Auch sie hatte wohl daran gedacht, ohne jedoch eine Erklärung zu finden, denn es war für einen normalen Menschen unvorstellbar, sich die Rückkehr eines Toten zu erklären.
»Werden Sie denn gehen?«
»Ich möchte nicht.« Sie hob die Schultern. »Aber ich gehe trotzdem hin. Nicht, weil ich es ihr schuldig bin, sondern weil es eben Dinge gibt, die man nicht aufschieben kann. Ich habe sogar den Eindruck, daß sie mich holen wird, wenn ich nicht gehorche.«
»Sitzt das Band so fest?«
»Ja.«
Als Glenda zum Fenster ging, um es zu öffnen und frische Luft hereinzulassen, erkundigte sich Suko, ob Yvonne etwas Besonderes für Tabitha gewesen war.
»Das war ich wohl.«
»Inwiefern?«
»Ich habe für Sie gearbeitet. Ich habe die Abrechnungen für die Honorare gemacht und setzte die Termine fest. Sie hat mir voll und ganz vertraut, doch als sie dann gestorben war, wobei keiner weiß, wie sie ums Leben gekommen ist, begannen meine Alpträume. Sie haben sich immer mehr verdichtet. Heute bin ich davon überzeugt, daß sie mich noch immer braucht, und ich für sie arbeite.«
»Sie haben Tabitha immer nur in der Nacht in ihren Träumen erlebt – oder?«
»Ja, Mr. Sinclair.«
»Und heute abend sollen alle Patienten endgültig von ihr Abschied nehmen, wie ich hörte?«
»So ist es.« Yvonne kramte in der Tasche. »Ich habe zahlreiche Briefe mit dem gleichen Wortlaut schreiben müssen, und wenn ich ehrlich sein soll, dann glaube ich sogar, daß sich Tabitha auf die eine oder andere Weise meldet.« Sie holte
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