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Die Totenfrau des Herzogs

Titel: Die Totenfrau des Herzogs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dagmar Trodler
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zudem wusste, wie viel er wert war: nämlich nichts, wenn man nicht daran glaubte.
    »Du hattest keine Wahl, Ima - Er wird dir vergeben.«
    »Gott kann mir nicht helfen«, sagte sie da und drehte den Kopf zu ihm. Ihre Augen standen wieder voller Tränen. »Ich muss mir selbst vergeben, und das kann ich nicht.«
    Er versuchte, ihrem Blick zu folgen, und hatte gleichzeitig das ungute Gefühl, dass sie beide von zwei völlig verschiedenen Dingen sprachen und nur Gott wusste, wie schwer das eine im Vergleich zum anderen wog. Und so blieb ihm nichts, als sie weiter im Arm zu halten und zu warten, wohin der Wind sie beide treiben würde.
     
    Das Gesicht der Herzogin hatte sich gräulich verfärbt. Schwach lag sie auf einem unordentlich aufgehäuften Berg von schmuddeligen Fellen, ein Soldat fächelte ihr Luft zu.
Trotz des Fiebers besaß sie noch Kraft genug, Ima höchst verärgert anzuschauen, als man sie zu ihr brachte.
    »Ihr habt Euch einfach entfernt«, stellte sie fest und zog die Nase hoch. Fieberschweiß lief ihr über das Gesicht und färbte den Kragen ihres Kleides dunkel, doch nichts davon konnte ihren Hochmut mildern. Ihr konnte es nicht so schlecht gehen, entschied Ima für sich. Sie war noch ganz außer Atem vom Weg über die Strickleiter, mit der man sie an Bord gezogen hatte, und hätte sich gerne ausgeruht, Erholung würde es keine geben.
    »Es war notwendig«, erwiderte sie daher einfach nur. Aus den Augenwinkeln sah sie, dass Gérard gerade über die Bordwand kletterte und versuchte, im Getümmel des überfüllten Schiffes zu verschwinden, weil er ja wusste, dass die Herzogin ihn möglicherweise ins Wasser werfen lassen würde, wenn sie ihn ein weiteres Mal in ihrer Nähe vorfand. Sicaildis fixierte sie wütend.
    »Ihr habt nicht darum ersucht. Wie könnt Ihr es wagen, so frech …«
    »Ich bin Eure Ärztin, ma dame . Möchtet Ihr, dass ich Euer Fieber behandle?«
    Dem fächernden Soldaten fielen fast die Augen aus den Höhlen. Doch es hatte sich im Lager von Kephalonia schon herumgesprochen, dass diese angelsächsische Ärztin weder Gott noch Herrscher kannte und dass nur ihre enormen Fähigkeiten sie bisher in Sicaildis’ Gunst gehalten hatten.
    »Ja, aber nicht hier und nicht, wenn Ihr ausseht, als hättet Ihr gerade einen Byzantiner getötet«, giftete die alte Dame zurück. »Wie könnt Ihr es wagen, mir in diesem Aufzug unter die Augen zu treten?« Ihr Blick glitt an dem zerrissenen, blutverschmierten Kleid herunter und blieb entsetzt an den nackten Knien hängen, die kein Stoff mehr verdeckte, weil Ima ihn im Boot einfach abgerissen hatte, um nicht hängen zu bleiben. »Kleidet Euch ordentlich, dann rührt
mir eine Medizin zusammen. Wir haben noch eine weite Reise vor uns!«
    »Sie war so unglaublich böse auf dich«, flüsterte es hinter Ima, und eine Hand tastete nach ihrem Arm. »Sie hat Flüche ausgestoßen und dich verwünscht …«
    Da die Herzogin empört die Augen geschlossen hatte, ging Ima davon aus, dass sie entlassen war, und drehte sich um: Bruder Thierry stand hinter ihr, unsägliche Erleichterung im Blick und bebend vor Aufregung. »Gott hat meine Gebete erhört«, flüsterte der kleine Mönch. »Ich habe nicht aufgehört, für dich zu beten, Tag und Nacht, in jedem Augenblick, mit jedem Atemzug, auch als Gott mir nicht mehr half und ich mich nicht mehr wehren konnte …« Ima packte die schmalen Arme. Obwohl sie selbst so müde war, zog sie den Mönch auf die hintere Ruderbank, weil sie sicher war, dass Sicaildis nicht schlief und jedem ihrer Worte lauschen würde. Ihr Ärger tanzte bereits wie eine wild gewordene Ratte über das Schiff und würde jeden beißen, der sie weiter reizte. Es war ein Trugschluss, sich nach der Rettung sicher zu fühlen - eine zornige Herzogin war noch gefährlicher als eine trauernde. Da war es klug, dass auch Gérard irgendwohin verschwunden war. Ima verkniff sich weiteres Suchen, er würde sich zu schützen wissen. Das hatte er immer gewusst.
    Eng umschlungen saßen die beiden da. Die Erleichterung, das Schlimmste hinter sich zu haben, machte Ima für einen Moment schwach, und sie wischte sich Tränen aus dem Gesicht.
    »Wo warst du nur?«, flüsterte Thierry aufgeregt.
    Ima starrte vor sich hin. »Ich habe ein Leben gerettet.« Der Gedanke an den Grafen von Tarent und wie er seine Anhänger um sich sammeln würde, ließ ihr Blut vor Erleichterung noch einmal in Wallung geraten, bevor Ruhe in ihr Herz einkehrte. »Ich habe ein Leben gerettet …«

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