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Die Totenfrau des Herzogs

Titel: Die Totenfrau des Herzogs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dagmar Trodler
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bisher von ihren Ärzten hatte erdulden müssen. Und alle Welt würde ihr natürlich Glauben schenken, denn Sicaildis’ Wort besaß Gewicht. Nach des Guiscards Tod erst recht.
    »Wie es Euch beliebt, ma dame«, murmelte Ima und deutete eine Verbeugung an. Ganz plötzlich sehnte sie sich nach Trotas Haus, nach der Freundlichkeit und Vorhersehbarkeit ihrer alten Lehrerin und nach der Sicherheit von Diagnosen, Kräuterbeuteln und erprobten Rezepten. Und nach einem Dasein, wo sie sich vor niemandem mehr verbeugen musste. Der Wunsch indes war albern, das wusste
sie. Vor irgendwem musste man sich immer verbeugen, so hatte Gott diese Welt erschaffen. Es änderte nichts an der Tatsache, dass sie es hasste. Sie seufzte. Der Vater hatte ihr wohl doch mehr vererbt als das blonde Haar und die schöne Gestalt. Vielleicht war es gerade dieser Stolz, der Örn Nábitr so an ihr gereizt hatte. Nachdenklich starrte sie vor sich hin. Sie war aus seiner Welt gekommen, ohne es zu ahnen. Jetzt wusste sie es - und musste sich fragen, ob sie dort zurechtkommen konnte, wo sie nun leben würde …
    Wenn sie dort angekommen war. Ima blieb stehen. Gérards Worte kamen ihr in den Sinn und was er wohl gemeint haben könnte. Das Meer schimmerte durch die Bäume hindurch. Verträumt schaute sie in das Glitzern, das die Wellen der Abendsonne schenkten, einfach so, ohne einen Preis dafür zu verlangen. Ankommen war vielleicht wirklich nicht so schwer …
    »Geht es dir gut?«
    Sie lächelte in den Schatten hinein. Der Baum hielt sie fest und nahm ihr auch das Herzklopfen, als Gérard leisen Schrittes über den weichen Piniennadelboden zu ihr trat. Ja, an Land ging es ihr in der Tat besser, sie hatte die furchtbare Schwäche aus dem Fischerboot überwunden und neuen Mut geschöpft. Es tat gut, dass er sich nicht aufdrängte, sondern nur nach ihrer Hand tastete, als würde er die Antwort dort erahnen.
    »Ich habe gedacht, die Herzogin wirft dich über Bord, so wütend, wie sie war.«
    »Sie hatte Fieber«, sagte Ima leise.
    »Trotzdem darf sie dich nicht so behandeln.« Er klang ehrlich empört. Sie zwinkerte ihm zu.
    »Sie braucht mich noch, Gérard. Man wirft niemanden über Bord, den man noch braucht.«
    Er nickte nachdenklich. »Gib auf dich acht, sobald sie
dich nicht mehr braucht. Vielleicht ist das Wasser dann näher, als du denkst.«
    Sie sah ihm fest ins Auge. »Wir ertrinken nicht, Gérard.«
    »Nein.« Sein Blick wärmte ihr Herz und deckte einen unerwarteten Schleier aus Zärtlichkeit über ihre Wunden. Dann hob er ihre Hand an seinen Mund und drückte einen Kuss hinein. Sie spürte sein Verlangen, aber auch eine Ratlosigkeit, die sie nicht zu deuten vermochte. Als er zwischen den Büschen verschwand, seufzte sie.
    Dunkelheit wartete hinter den silbernen Sträuchern, die Sonne war schon lange untergegangen und hatte nur wenig Licht übrig gelassen. Zwischen den Zelten flackerten kleine Feuer, die von Treibholz und Holzresten gespeist wurden - ganze Hänge waren hier im Norden der Insel bereits abgeholzt und verfeuert worden, um in der Dämmerung der unerträglichen Mückenschwärme Herr zu werden. Die Feuer spendeten nicht nur Schutz, sie schickten auch Hoffnung und Leben in diese eigenartige Dunkelheit … Ima blieb an einem der Feuer stehen und streckte die Hand nach den Flammen aus. Wie ein leidenschaftlicher Kuss war die Hitze auf der Haut, und sie schämte sich, danach gesucht zu haben. Nach allem, was hinter ihr lag, hätte es sich wohl eher geziemt, die Kleider zu zerreißen und sich Asche auf das Haupt zu streuen. Sie war sich nicht sicher, ob diese Art von Buße angemessen war und ob es für ihr Vergehen überhaupt Buße geben konnte.
    »Na, ma dame , hoffentlich erstickt Ihr nicht, wenn Ihr morgen mit dem toten Herzog reist«, meinte einer der Apulier, der das Feuer in Gang hielt und sie offenbar erkannte. Freundlich reichte er ihr seinen Becher, und sie trank, ohne zu überlegen, was er wohl enthalten könnte. Es war Wasser mit einer Erinnerung an schales Bier - aber es löschte den Durst.
    »Wieso meint Ihr?«, fragte sie erschöpft und trat näher.

    Der Apulier grinste verlegen. »Niemand geht mehr in die Nähe seines Zeltes, ma dame . Seit Ihr und der Borsa und die Herzogin davongefahren seid, liegt er da und wartet auf sein Grab. Der Priester kann Euch vorrechnen, wie viele Tage das waren, er hat die ganze Zeit für ihn gebetet. Wir bewundern den heiligen Mann dafür.« Er wischte sich mit dem Ärmel über das schweißige

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