Die Totenfrau des Herzogs
die Welt zu zeigen, in der Tat.« Ima schlang sich ihre Decke um die Schultern und rückte dichter an die Pinie heran, um den herabfallenden Tropfen zu entgehen.
»Dann sollte ein Mann Euch bald ein Heim bieten, dass Ihr nicht mehr herumreisen müsst.«
»Ein Mann wird kaum vermögen, Gottes Pläne zu durchkreuzen, ma dame . Wie einflussreich er auch sein mag.« Kühl sah sie die Herzogin an. Heiratspläne waren jetzt das Allerletzte, was sie besprechen wollte. Und zum Herumreisen war sie von der Herzogin selbst gezwungen worden und von niemandem sonst. Doch Sicaildis langweilte sich und war offenbar überhaupt nicht müde, sondern in ungewohnter Plauderlaune. Sie nahm das mit Fleisch verbackene Brot aus den Händen des Kochs, brach es entzwei und teilte es mit Ima, die die Gabe aus Hunger nicht ablehnen konnte, obwohl ihr danach war. Belustigt sah Sicaildis zu, wie Ima sich das Stück in den Mund stopfte.
»Es ist Gottes Plan, dem Manne Kinder zu schenken, wie kann man da von durchkreuzten Plänen sprechen? Habt Ihr einen Liebsten, Ima? Hmm?« Listig blitzten ihre schwarzen Augen. Ima schlang das Brot erzürnt herunter. Sie wusste doch ganz genau, wer ihr den Hof machte!
»Wenn wir wieder in Salerno sind, werden wir einen für Euch finden. Einen Mann, der zu Euch passt. Einen, den Eure Schönheit schmückt und der Euch strahlen lässt. Einen, der Euer hohes Blut perfekt ergänzt und Eurem Vater keine Schande macht …«
» Ma dame , ich bitte darum, schlafen zu dürfen«, presste Ima hervor, da sie sich nicht mehr sicher war, ob sie ihre Zunge noch länger im Zaum würde halten können. In jedem Fall hatte sie es immer schon verabscheut, wie ein
Stück Fleisch auf dem Markt angepriesen zu werden. Nicht einmal Königin Mathilde von England hatte das wirklich gewagt, auch wenn sie immer wieder lächelnde Versuche unternommen hatte, ihr vornehme Ritter und interessierte Thanes vorzustellen, in der Hoffnung, eine Ehe für die Enkelin von Roger de Mongoméry stiften zu können. Imas Ablehnung hatte sie ebenso lächelnd hingenommen, als hätte sie gewusst, dass der Richtige schon noch kommen würde. Sicaildis’ Versuche jedoch trugen die Handschrift einer Kupplerin. Von ihr wollte Ima erst recht nicht zu einer Ehe genötigt werden.
»Lasst mich nur machen, Ima«, hörte sie die Herzogin dennoch, und mit deren spöttischem Lachen im Ohr schlief sie ein.
»Ich soll Euer Pferd versorgen, ohne dass Ihr mir Geld gebt?«, lachte der Wirt und klopfte sich vergnügt den Bauch. »Wo kommt Ihr her, dass Ihr solchen Humor pflegt? Man könnte auch eine stattliche Wurst davon machen …« Vielsagend tätschelte er die straffe Hinterhand des schweißnassen Hengstes, und die Umstehenden lachten darüber anzüglich. Natürlich würde niemand aus so einem Tier Wurst fertigen, aber gierige Augen schätzten schon mal ab, wie viel der Hengst wohl wert sei, wenn man ihn zu Goldstücken machte.
»Sprecht, Normanne! Wie tut man das in Eurem barbarischen Land?«
Gérard kramte hektisch in seiner Börse, obwohl er wusste, dass sie leer war. Die letzten Taler seines Solds waren irgendwo zwischen Tarent und Otranto in einem Gasthaus geblieben, wo er gerade eben seinen Hunger hatte stillen und des Pferdes Haferbeutel hatte auffüllen können. Seither hatte er nichts mehr gegessen - wovon? Wie sehr der Hunger bohrte, fiel ihm jetzt erst auf. Und nun
wollte dieser Wucherer Geld dafür, dass er den Hengst beherbergte, und Lärm am Kai verriet, dass das Schiff klarmachte zum Ablegen … der Schweiß brach ihm aus. Was tun? Was in aller Welt sollte er tun? Die Augen des Wirts glitzerten.
»Habt Ihr keinen Schmuck?«, raunte er. »Ein Medaillon? Einen Ring? Das würde mir ja schon reichen, Herr, den Rest könnt Ihr bei Eurer Rückkehr …«
Ring? Schmuck, Medaillon? Gérard sah hoch. Er besaß tatsächlich nichts außer einem leeren Haus in den Bergen von Noceria, was ihm hier nicht half. Am Schiff flatterten die Segel. Kommandos peitschten über das Deck, und hinter den Häusern von Otranto ging die Sonne unter. Das musste ihr Schiff sein. Kein anderes war bereit zur Abfahrt. Frauen mit wehenden Kleidern kletterten auf das Schiff. Blondes Haar glänzte im Abendlicht, bevor es unter einer Kapuze verschwand. Seine Augen weiteten sich. Zu spät.
Ima wandte sich zurück, um dem Land Lebewohl zu sagen. Ihr schmerzten immer noch die Hände, weil sie sich an einer Strickleiter zur Reling hatte emporhangeln müssen. Nur die Herzogin war von
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