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Die Totenfrau des Herzogs

Titel: Die Totenfrau des Herzogs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dagmar Trodler
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am Kai drängelte, Gérard gelang es kaum, sich hindurchzuschlängeln, Ima im Schlepp. Wo es zu eng wurde, half seine Faust - die hatte ihm immer geholfen und hatte einmal sogar Ima beschützen können. Hier, am Ufer von Otranto, machte sie sich nur Feinde. Jemand trat ihn mit aller Macht ins Kreuz: »Vermaledeiter Hurensohn!«, und zum vielleicht ersten Mal in seinem Leben drehte Gérard sich nicht zum Vergeltungsschlag um, denn vor ihnen trieb das Schiff langsam vom Kai ab. Offenbar hatte man Imas Fehlen zu spät bemerkt und das vom Ufer gelöste Schiff nicht mehr aufhalten können. Die Segel flatterten heftig im auffrischenden Abendwind. Sicaildis’ Ärger brandete wie eisige Gischt vom Schiff herunter. Ihre hochgewachsene Gestalt schien beinah den Mast zu überragen. Sie rief irgendetwas, doch der Wind verschluckte frech ihre Worte.

    »Halt dich fest«, keuchte Gérard. Er blieb stehen, bevor Ima ins Wasser laufen konnte, und drehte sie mit festem Griff zu sich um. »Halt dich fest«, sagte er noch einmal. Dann nahm er sie mit Schwung auf die Arme, sie kreischte: »Was tust du?«, und er rannte mit ihr ins Wasser, dass es neben ihnen hochspritzte und sie am Ende doch klatschnass wurde, obwohl er es hatte verhindern wollen. Bis an seine Hüfte stieg das Wasser, wie ein Pflug arbeitete er sich durch die Wellen und drückte Ima gegen seine Schultern, um sie vor dem Wasser zu schützen.
    »Warum tust du das?«, flüsterte sie und schlang ihre Arme um seinen Hals, weil sie die Antwort doch wusste und er eh nicht sprach, weil er kaum Luft bekam. Über ihnen ertönten Rufe, Schritte polterten über Deck. »Fang!«, rief jemand. Dann klatschte ein Seil neben ihnen ins Wasser.
    »Fang! Wir ziehen euch hoch!« Ima gab den schützenden Platz an Gérards Hals auf und drehte den Kopf. Die Gischt einer kleinen Welle sprühte ihr ins Gesicht. Das Schiff lag direkt vor ihnen, der Bootsführer hatte wohl tatsächlich beigedreht, auf Befehl der Herzogin tat man auch Unmögliches.
    »Nimm das Seil«, keuchte Gérard unter ihr. Über seine Schulter hinweg angelte sie nach dem Seil. Die von oben auf dem Schiff schaukelten es näher und brachten es auf den Wellen zum Tanzen, damit sie es besser zu fassen bekam. Gérards Arme umklammerten sie wie Eisengitter, sie wagte es daher, sich noch weiter vorzubeugen. Das Wasser hatte sie sowieso durchnässt, und ihm war es bis zur Brust gestiegen. Der dritte Griff war erfolgreich - Ima rang nach Luft. Dick und haarig lag das Seil in ihrer Hand. »Hab’s!«
    »Gut so«, ächzte er und: »Zieh dich hoch!«, denn die Wellen rissen ihm den Boden unter den Füßen weg, lange würde er sie nicht mehr halten können. Für einen winzigen Moment hielt sie inne und betrachtete sein nasses Gesicht.
Die Falte zwischen den Brauen war tiefer geworden, seit sie ihn das letzte Mal getroffen hatte, und einen Barbier hatte sein tiefschwarzes Haar auch schon länger nicht mehr gesehen. Dennoch tat ihr Herz einen Satz - was für ein Unfug, denn er war arm und niedrig geboren, ungebildet und ungehobelt dazu.
    Sie neigte sich vor, überwand die eigentlich unüberbrückbare Handbreit, die zwischen ihnen lag, grub die Finger tief in das lange Haar und küsste ihn auf den Mund. Dann packte sie das Seil mit beiden Händen und nickte heftig hoch zur Reling.
    Gérard ließ sie los. Eine Welle erwischte ihn von hinten, der Stoß war so heftig, dass sie ihn zu verschlingen drohte. Alle Kraft, sich dagegen zu wehren, war von ihm gegangen - mit diesem Kuss, mit ihr, die am Seil hing und sich von den Seeleuten an Bord ziehen ließ. Hilflos ruderte er gegen die Wellen; mit seinen vollgesogenen Lederkleidern und dem Kettenhemd war er zu schwer, sich über Wasser zu halten, und schwimmen hatte Gérard de Hauteville nie gelernt.
     
    »Was habt Ihr Euch dabei gedacht, hochwerte Ima?« Die Stimme der Herzogin klang so frostig, dass die Spätsommerluft förmlich klirrte. »Ich erlaube nicht, dass man sich entfernt, wenn ich auf Reisen bin.«
    »Ich …«
    »Sollen wir ihn auch raufziehen?«, fragte der Bootsführer gleichmütig und drängte sich einfach zwischen die beiden Frauen, die Halt an den Ruderbänken suchten, als eine Bö das Schiff scherzhaft schubste. Er verschränkte die Arme vor der Brust. Auf See nahm der Rang zu viel Platz weg. Wer ihn dennoch nötig hatte, konnte sich seiner Meinung nach an den Vordersteven in den Wind setzen. Ahmeds Boot war klar aufgeteilt. Jeder Ruderer hatte seine
Bank, Allah war groß - und

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