Die Totenfrau des Herzogs
hatte man zusammengeschoben, um Platz für mehr Sitzgelegenheiten zu schaffen, denn Robert Guiscard musste, seit er fiebernd und mit letzter Kraft im Lager angekommen war, ständig betreut werden. Einen leidenden Heerführer ließ man nicht allein, und so war das Zelt voller Menschen, die etwas zu tun hatten oder sich einfach nur hier aufhielten, um Robert Gesellschaft zu leisten. Ihre Ausdünstungen verpesteten die Atemluft, selbst die geweihten Kerzen flackerten müde und schafften es kaum, genug Licht zu spenden.
Auf einem mit Tüchern bezogenen Strohlager lehnte der Herzog gegen einen dicken Stapel Felle. Ima erschrak. Sein Gesicht, das sie als breit und strahlend in Erinnerung hatte, mit großen, lebendigen Augen und einem leidenschaftlichen Mund, war unter der Krankheit zusammengefallen wie ein zerknülltes Pergament und hatte die Farbe von Lehmboden im Sommer angenommen. Tiefe Scharten zogen sich über die Stirn und rund um den Mund, seine Augen lagen in tiefen Höhlen, umgeben von Schatten, die aus dem Reich der Toten herüberwinkten. Erst kürzlich hatte sie ihn in der Residenz von Salerno noch gesehen - kraftvoll, aufrecht, stark. Da hatte er sich ohne Hilfe auf sein Pferd geschwungen und über den Knecht gelacht, der ihm zu Hilfe eilen wollte. Sie erinnerte sich, dass der Steigbügel gebaumelt hatte, weil Robert Guiscard trotz seines hohen Alters keinen Steigbügel brauchte, wenn er aufs Pferd sprang. Und nun lag er hier, mit einem Gesicht so grau wie ein Nebeltag. Sie schluckte. Solche Gesichter malte Hel, die Herrscherin
des nordischen Totenreiches, an das ihr heidnischer Vater glaubte. Ima hatte sie schon oft gesehen, sie nannte sie nur anders. Doch sie wusste, wie der Pinsel aussah, mit welchem der Tod Gesichter veränderte. Sie waren gerade noch rechtzeitig gekommen, der Tod hatte sein Werk noch nicht vollendet. Der Tod war hier, und er hatte es eilig, das spürte Ima deutlich.
Der Weihrauch fand keine Möglichkeit abzuziehen. Das Loch im Zeltdach war zu klein, seine Schwaden verirrten sich zwischen den Menschen. Wie ein klebriger Schleier legte er sich über den Raum und verbot jedem, tief zu atmen, der ihn betrat. Für Ima konnte er nicht verdecken, was darunterlag - der Geruch von Exkrementen, von Krankheit und Tod. Robert hatte es gerade noch in das Lager geschafft, als die tückische Krankheit ihn einholte und wie eine Frucht ausquetschte, so erzählten sie. Für nichts war hier Zeit gewesen, das verriet die Unordnung. Benutzte Gerätschaften standen herum, Kleider lagen zusammengeknüllt in großen Haufen auf dem Boden, ein Diener raffte Laken und stopfte sie in die Ecke, damit die Herzogin nicht hängen blieb oder in Schmutzflecken stolperte.
Roberts Lieblingshunde saßen am Fußende seines Lagers. Ima empfand ihren Tiergeruch und ihre hechelnde Anwesenheit als störend, sie hatte Hunde noch nie gemocht. An ein Krankenlager gehörten sie nicht, und sie überlegte, wie es gelingen konnte, die Biester zu entfernen.
Sicaildis brauchte einen Moment, um sich an den Raum zu gewöhnen. Sooft sie schon in Kriegszelten gewohnt und an Heerzügen teilgenommen hatte - dieses Zelt war etwas Besonderes, und obwohl von außen die Sonne auf die Planen brannte, wirkte es drinnen düster.
»Gaita, mein liebes Weib.« Robert Guiscard hatte die Augen aufgeschlagen, was man kaum sah, weil sie fast in den Höhlen verschwanden. »Mein liebes …« Matt streckte
er die Hand aus. »Mein Herz, mein liebes …« Sie strebte auf die Hand zu und sank an sein Lager.
»Ich bin so schnell geritten, wie ich konnte.« Ihre Hände verschränkten sich, liebevoll strich sie ihm über die Stirn. Seine Stimme war brüchig vor Schwäche und hatte nichts mehr von einem Heerführer. Vielleicht war auch der Weihrauch schuld, im Übermaß verräuchert, benebelte er die Sinne und entführte den Geist. Manchem Sterbenden verhalf das zu einem gnädigen Tod, auch Trota hatte sich dessen schon bedient, obwohl Weihrauch natürlich nicht in Frauenhand gehörte. Der Priester, der neben dem Kohlefeuer ein Plätzchen gefunden hatte, machte ganz den Eindruck, als hätte er sich der Wirkung des Weihrauchs schon ergeben, denn seine Gebete waren unter leisem Schnarchen verstummt. Die Herzogin drehte sich um. Alle Männer, die sich im Raum befanden, hielten inne mit dem, was sie taten, selbst das Feuer schwieg. Doch sie winkte nur Ima herbei.
»Was könnt Ihr für ihn tun? Dafür habe ich Euch mitgenommen. Ihr seid Ärztin. Tut etwas.«
» Ma
Weitere Kostenlose Bücher