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Die Totenfrau des Herzogs

Titel: Die Totenfrau des Herzogs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dagmar Trodler
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unter ihrer Würde, wie einen Freundschaftsdienst verrichtete, weil sie die Düsternis spürte, die Sicaildis zunehmend umgab, seit sie das Schiff nach Kephalonia betreten hatte und zum Nichtstun und Abwarten gezwungen war. Ihr Ärger über die Herzogin verrauchte - sie war jetzt nur noch eine Frau, der es für den härtesten und traurigsten Weg ihres Lebens den Rücken zu stärken galt.
    Die Langobardin saß wie eine Statue auf dem harten Schemel. Ein Junge wedelte ihr mit einem Fächer aus Tierhaut die heiße Mittagsluft ins Gesicht, sodass die Haarsträhnen aufflogen, die sich während des Ritts aus der Frisur gelöst hatten. Es war heiß - unerträglich heiß. Und sie schloss die Augen, als Ima ihr Gesicht mit einem Schwamm abwusch, sanft über ihre Wangen strich und Hals und Nacken damit netzte. Die Strähnen wurden wieder eingefangen und zurückgesteckt, das Gesicht getrocknet. Dann nahm die junge Ärztin das Fläschchen mit wohlriechendem Öl, das sie stets am Gürtel trug, tropfte sich davon auf die Handflächen und massierte es sanft in Wangen, Stirn und Hals der hohen Dame.
    »Ihr wisst wohl, was Frauen mögen, Ima.« Die Augen blieben geschlossen, die Lider flatterten nicht mal, nur die schmalen Nasenflügel bewegten sich, weil Sicaildis den
Duft des styrax einatmete, der dem Öl entströmte. »Eure Hände wissen …«
    »Meine Mutter war von hoher Geburt, ma dame «, unterbrach Ima mögliche Spekulationen, die sich jedes Mal wiederholten, wenn sie die Herzogin behandelte. »Das erzählte ich Euch bereits. Sie wusste, was sich gehört.«
    Sie hatte sich zwar weniger mit wohlriechenden Ölen als mit geisterweckenden Bierzusätzen ausgekannt und eher die Bestandteile von Traumsalben ausprobiert, doch Ima hatte von ihrer Mutter genug gelernt, um zu wissen, was gefährlich und was harmlos war und welches Mittel man wann anwendete. Das balsamische styrax in ihrem Öl entfaltete seinen Duft auch für sie, und sie atmete tief durch. Nicht tief genug, um sich zu entspannen und zu vergessen, was der Tod des Robert Guiscard bedeuten würde. Sie wusste nicht viel von seinen Unternehmungen und warum er einen Krieg nach dem anderen führte. Doch er war ihr immer wie ein Adler vorgekommen, der mit seinen Schwingen ein Riesenreich zusammenhielt. Nun würden die Schwingen endgültig zu Boden sinken - und das Reich? Würde es auseinanderbrechen? Waren seine Erben Adler wie er? Ima kannte nur das Geraune in den Straßen und was man sich über Roger Borsa erzählte …
    Den Gedanken an Gérard verkniff sie sich und wie es mit ihnen beiden nun weitergehen sollte. Dafür würde die Zeit schon noch kommen. Wenn man seine Sinne zusammenhielt, überstand man alles, und keine Erinnerung war verloren. Und das Beieinander auf den Planken - nun. Ungefragt schlüpfte er doch in ihren Kopf. Sie lächelte in sich hinein. Das war so besonders gewesen, dass sie lieber gar nicht weiter darüber nachdachte, weil der Schmutz die Erinnerung nur schändete. Über diesen unziemlichen Gedanken musste sie noch mehr lächeln. Sie fragte sich, wo Gérard wohl steckte und ob es ihm gut ging. Er geisterte weiter
durch ihre Gedanken … alles war am Morgen so schnell gegangen …
    »Er ist in Eurem Kopf, nicht wahr?«, sagte die Herzogin da und öffnete die Augen. »Ich merke das, Ima.« Ihre klaren, kalten Augen blickten in Imas Herz. »Ihr solltet Euch anders orientieren, Ima von Lindisfarne …«
    »Wünscht Ihr einen Schleier zu tragen, ma dame ?« Warum konnte sie sich ihre verdammte Einmischung nicht sparen? Ärger zerstörte den trügerischen Frieden, den sie vorhin noch beim Frisieren der alten Dame gespürt hatte.
    »Die Nacht ist schweigsam, Ima.« Jetzt zwinkerte sie tatsächlich, wurde aber gleich wieder ernst. »Die Nacht ist schweigsam - der Tag erst bringt ans Licht, was …«
    »Mutter!« Ein Schatten fiel auf sie beide, und Sicaildis drehte sich um. Der normannische Soldat und das, was er von der jungen Ärztin wohl haben wollte, waren vergessen. Auch das Öl und Imas heilende Hände waren vergessen, denn Sicaildis’ Sohn Roger Borsa schlenderte herbei, lässig mit der Hand an den Beinlingen fummelnd, wie es Männer taten, die sich gerade hinter einem Busch erleichtert hatten und ihre Dinge ordneten. Sie konnten von Glück sagen, dass er es hinter dem Busch getan hatte. Ima würdigte er keines Blickes - wozu auch, er musste sie ja für eine Magd halten, wo sie die Bürste in der Hand hielt, um Sicaildis’ Mantel vom Staub zu

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