Die Totenfrau des Herzogs
seid so töricht, wie Ihr lang seid«, murmelte Thierry. »Reißt Euch zusammen und lasst den Allmächtigen entscheiden, wer hier wen bekommen soll!«
Staub flog auf, von Zorn in die Luft getreten. Das Bierfass lockte mit Rettung; er erlag dem Lockruf und ging, sein zuckendes Herz zu ertränken. Thierry seufzte etwas hinter ihm, vielleicht über primitive Trunkenbolde, die man von Ima fernhalten müsse …
Etwas hatte sich verändert. Das spürte Ima, als sie das Zelt des Herzogs zum zweiten Mal betrat. Spannung lag in der stickigen Luft, und ein merkwürdiger Sog. Er zupfte auch an ihr, doch war ihre Zeit noch nicht gekommen, und so biss sie die Zähne zusammen und schüttelte sich leicht. Der Tod wurde aufdringlich. Sie spürte seine Anwesenheit bleischwer auf sich lasten. Der Tod liebte es, nach den Lebenden zu fingern, wenn er kam, um einen Sterbenden zu holen.
Er liebte es, einen Nebel der Vergänglichkeit über sie zu werfen und ihre Herzen mit trauriger Furcht zu erfüllen - das raubte den Lebenden die Kraft und verschaffte ihm leichteres Spiel mit dem Sterbenden. Die Mutter hätte schon gewusst, wie man damit umgeht - sie hatte stets die richtigen Formeln gefunden, um die Geister zu bannen, vor denen Ima sich in Ignoranz und Starrsinn zu flüchten pflegte. Es gab keine Geister, nicht für sie. Aber es gab den Tod - den konnte auch sie sehen.
»Ich werde nun beginnen«, sagte sie eine Spur zu forsch und trat auf Roberts Lager zu. Der Tod wich vor ihr davon, aber er hielt seine Arme ausgebreitet.
»Was habt Ihr vor?« Der Priester war aus seinem neuerlichen Weihrauchrausch erwacht, schoss aus der Gebetsecke hervor und stellte sich breitbeinig vor das Lager. »Was wollt Ihr mit diesem Wasser anstellen? Weib, weicht zurück damit …«
»Gebt Ruhe, Mönch.« Die Stimme des Herzogs erlangte noch einmal die Macht, Heere zu dirigieren. Auch Mönche beugten sich ihr. »Sie tut, wie ihr geheißen. Gebt Ruhe, Mann.«
»Er möchte vom Schweiß befreit werden, Ehrwürdiger Vater«, flüsterte Ima erklärend und ignorierte die Faust in ihrem Magen, die sich stets bildete, wenn sie ohnmächtig auf einen von Gottes Streitern traf.
»Vom Schweiß befreit, was für ein lästerlicher Unfug …« Schimpfend zog der Kahlköpfige sich zurück. Fromme Christen wuschen sich im Angesicht des Herrn nicht! Und eine Ganzkörperwaschung in dieser Situation - er japste vor Empörung.
Robert Guiscard pflegte da andere Ansichten, wie so oft in seinem Leben. Mit letzter Kraft schob er die Felle von seiner Brust und nestelte an seinem verschmierten Hemd. Eine Wolke von Krankheitsgeruch stieg aus dem Bett auf.
Niemand wechselte hier noch Laken, weil es keine sauberen Laken mehr gab und weil die Diener die Rotewehe fürchteten, die sie wie ein räudiges Tier anspringen und dahinraffen würde. Der Guiscard war ja nicht der einzige Erkrankte im Lager, und sicher auch nicht der letzte. Und insgeheim glaubten einige unter ihnen wohl auch, dass es eine wohlverdiente Strafe für den Herzog war, in einem schmuddeligen Lager scheißenderweise vor den Allmächtigen zu treten und sich die Erlösung verdienen zu müssen, statt ehrenhaft im Kampf oder daheim in der Residenz sterben zu dürfen.
»Na, Gérard, da habt Ihr einen hitzigen Ritt hinter Euch«, lachte Roger Borsa und tauchte seinen Becher in das Fass. »Meine Mutter hängt jeden Ritter ab, wenn sie es eilig hat.« Verständnislos schüttelte er den Kopf, bevor er den Becherinhalt in einem Zug herunterkippte. »Sie reitet so tollkühn, wie ich es nicht einmal bei Männern sah. Ich habe mich oft gefragt, wo sie das wohl gelernt hat.«
»Sie wird es wohl als Eheweib gelernt haben«, brummte Gérard, froh über den zusätzlichen Schatten, dem des Borsa stattliche Gestalt ihm lieferte. »Und oft genug geübt in den turbulenten Jahren …«
»Andere Eheweiber sitzen daheim und sticken Altartücher«, unterbrach Roger ihn eine Spur zu heftig. »Sie beten und erziehen ihre Kinder.« Bier lief in den Becher und aus dem Becher in die Kehle. »Sie mischen sich nicht in Staatsdinge ein …«
»Man sagt, dass die deutschen Kaiserinnen das tun. Man erzählt sich, dass sie als Gefährtinnen bezeichnet werden«, gab Gérard zu bedenken.
»Die Deutschen«, lachte Roger. »Denen haben wir den Arsch versohlt, da wundert es mich nicht, dass sie von Weibern regiert werden! Aber meine Mutter …«
»Sie war Eurem Vater das beste Eheweib, Roger. Eine Gefährtin, wie man sie sich
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