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Die Totenfrau des Herzogs

Titel: Die Totenfrau des Herzogs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dagmar Trodler
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gleich da«, brummte de Neuville und trieb so heftig mit den Beinen, dass das Pferd bockte. Die Herzogin war auf ihrem Schimmel längst über die Bergkuppe und zwischen den Bäumen verschwunden - jeder wusste, dass sie Zauderer und Langsamreiter hasste und selbst den erfahrensten
Reitern davongaloppierte. Aber ausgerechnet hier und wo er sie doch eskortierte - das störte den Normannen wohl. Das Pferd tat ihm jedoch nicht den Gefallen, die hohe Dame einzuholen.
     
    Als sie sich dem Lager näherten, lösten sich immer mehr Bewaffnete aus den Pinienhainen. Hellebarden und Schwerter glänzten, Helme wurden hastig aufgesetzt, bevor man eins auf den Kopf bekam, weil man ja nicht wusste, wer da mit Getöse nahte. Sicaildis’ Stimme mähte die Männer nieder, sie lagen auf den Knien, während sie vorbeiritt und auch mal jemanden mit dem Fuß streifte, wenn er nicht schnell genug zurücksprang.
    Ima spähte über die Schulter de Neuvilles. Zahllose Verschläge erkannte sie zwischen den Pinien, Zelte, Wäscheleinen, von denen Hemden traurig herabhingen, und Männer in grauen, braunen und schmutzigen Kleidern. Sie waren nur Teil eines riesigen Dunsthauchs, an dem das Pferd vorbeiflog, auf das grob gehauene Palisadentor zu, welches das Lager Robert Guiscards verschloss. Für den Schimmel wurde es gerade geöffnet - sie hatten die Herzogin also doch noch eingeholt.
    Viele Monate lagerten die Soldaten des Guiscard bereits an diesem Ort, und sie hatten sich eingerichtet. Kämpfe gab es offenbar nicht - nur quälendes Warten durch ungewisse Nächte hindurch; sie harrten aus von Tag zu Tag, in Hitze und Schwüle, und mit so wenig Essen, dass das Aufstehen morgens keine Freude machte. Die Essensbeschaffung, so war auf dem Schiff zu hören gewesen, hatte sich mit den Monaten zu einem ernsthaften Problem ausgeweitet, denn eine Heuschreckenplage, der ein hungriges Heer ja ähnelt, kann eine kleine Insel an den Rand des Verhungerns bringen.

     
    Sicaildis sprang vom Pferd und warf dem nächststehenden Soldaten die Zügel hin.
    »Wasser«, befahl sie. »Bringt mir Wasser und ein Tuch. Und bringt eine Bürste. Worauf wartet Ihr?« Der Soldat war etwas verwirrt, weil er ja das Pferd festhalten musste und nicht zum Brunnen laufen konnte, doch dann fasste er sich wieder und brüllte in breitestem apulischem Dialekt über die Schulter nach einem Knappen. Ima ließ sich über die Kruppe des Pferdes zu Boden gleiten, bevor de Neuville ihr hätte helfen können.
    »Das Zelt des Herzogs ist direkt vor euch, ma dame «, sagte er leise und deutete auf den mit grauen Lumpen verhängten Eingang eines windschiefen Zeltes. Ima wischte sich über die verschwitzte Stirn, versuchte, das Unbehagen zu unterdrücken, welches sie verstohlen von hinten überfiel. Dieses Lager war ja noch viel armseliger als alles, was sie in Rom erlebt hatte. Dieses Lager bedeutete das Ende aller Kriegszüge … Stimmen erklangen aus dem Zelt, es roch nach Weihrauch, jemand sang mit schiefer Stimme einen Psalm. Ein Mann hustete sich die Seele aus dem Leib und rotzte lautstark seinen Schleim in den Schmutz.
    »Sauf nicht so viel«, knurrte ein anderer. Vor allem dick war der, der da gerade aus dem Zelt ans Tageslicht trat und hustete, als ob sein letztes Stündlein geschlagen hätte. Einer von jenen, die stets genug zu essen fanden. Er begaffte die Neuankömmlinge. »Das glaub ich nicht. Frauen. Das glaub ich nicht.« Die Augen liefen ihm über, Speichel rann aus seinem Mundwinkel, und er vergaß glatt, ihn wegzuwischen.
    »Ich hatte um Wasser gebeten.« Sicaildis’ Stimme klang jetzt heiser und voller Ungeduld.
    » Ma dame , wollen wir hineingehen?« Ima trat von hinten auf sie zu. Da fuhr die Herzogin herum und blitzte sie an: »Ich hatte um Wasser gebeten!« Und Ima begriff, dass sie sauber und schön zu ihrem Mann gehen wollte, der sie
vielleicht das letzte Mal in diesem Leben zu sehen bekam und ihr Bild so mit ins Grab nehmen sollte. Und dass es unter ihrer Würde war, mit staubigen Kleidern an einem Sterbebett inmitten eines Kriegslagers voller Schmutz und Unrat zu hocken. Es war auch unter Imas Würde, obwohl sie den Unrat besser kannte als viele andere Frauen, weil sie auf dem großen Heerzug nach Rom dabei gewesen war. Sie verstand die Bedeutung von Reinlichkeit und auch, wie wichtig es war, Wasser im Gesicht zu spüren, wenn die Hitze erbarmungslos peinigte.
    Als Bürste und Wasser kamen, übernahm Ima freiwillig die Aufgaben einer Dienstmagd, die sie, wiewohl

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