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Die Totenfrau des Herzogs

Titel: Die Totenfrau des Herzogs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dagmar Trodler
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mir einen Dienst.« Sie beugte sich über ihn, um ihn besser zu hören. Sein Atem roch nach Kot und Verwesung, die Züge hatten die rote Farbe der Wiedersehensfreude schon wieder verloren und waren mit dem Grau der Felle verschmolzen.
    »Ich möchte nicht wie ein schmutziger Bettler zu Gott gehen. Wascht mich, Angelsächsin, sicher habt Ihr auch das gelernt. Lasst mich sauber und wohlriechend zum Allmächtigen gehen.« Er holte Luft. »Niemand hier versteht sich darauf.« Ima sah sich um. Weder der Mönch noch der Diener sahen so aus, als ob ihnen Schmutz und Gestank in diesem Zelt etwas ausmachten. Vermutlich verrohte man von selbst, wenn man zu lange hier verweilte. Für den Mönch war es allerdings normal, dass man als am ganzen Leib stinkender Büßer vor den Herrn trat.
    Doch die Sinne eines Menschen auf der Schwelle zum Tod empfingen jede Unbill mit besonderer Wucht und Qual, das wusste sie. Die Sinne waren geöffnet, nur anders als sonst, und man hatte ihr daheim beigebracht, damit pfleglich und rücksichtsvoll umzugehen. Und so nickte sie. »Das will ich für Euch tun, mon seignur .« Dankbar schloss er die Augen.
    Roger begleitete sie nach draußen. »Seht Euch bloß vor«, grinste er vielsagend, »Ihr unterschätzt den Alten …« Bevor sie diese Respektlosigkeit so richtig begriffen hatte, wurden sie beide abgelenkt, denn Männergeschrei drang zwischen den Zelten hervor, Hufschlag, ein Pferd mit zwei Reitern, gefolgt von mehreren Bewaffneten …
    »Potz Blitz, der Herr Gérard, schnell wie der Wind und wie immer eine Spur zu laut«, lachte Roger Borsa auf und pfiff die bewaffneten Männer mit einer Handbewegung zurück. »Was bringt Euch her? Hatte ich nach Euch schicken
lassen?« Für einen Moment wirkte er ratlos, weil er sich an seine eigenen Befehle nicht mehr erinnern konnte, was offenbar nicht so selten vorkam.
    Mit hochrotem Kopf sprang Gérard de Hauteville vom Pferd und überließ Bruder Thierry im Sattel sich selbst. »Ich begleitete Eure Frau Mutter nach Kephalonia und - und …« Den Rest besorgten die Blicke, die er Ima zuwarf, die Borsa aber glücklicherweise nicht bemerkte, weil er bereits lachend auf das Bierfass zustrebte, welches im Schatten zwischen zwei Zelten aufgebaut war. »Aaaach - meine Mutter. Gut, dass Ihr nun hier seid. Sehr gut. Macht es Euch bequem, Herr Gérard, es steht einstweilen nichts an, was uns Grund zur Sorge bereiten könnte«, warf er noch über die Schulter, dann verschwand er hinter der Zeltplane am Fass. Gérards Schultern sanken merklich zusammen. Offenbar war er sehr erleichtert, erst seinem Dienstherrn und nicht der Herzogin über den Weg gelaufen zu sein. Die Bewaffneten hatten sich zurückgezogen. Ruhe kam über das Zelt des sterbenden Herzogs, vor dem die Soldaten weiter vor sich hin dämmerten. Allzu oft kamen hier Boten an, die dann doch nichts von wirklichem Interesse mitbrachten, es lohnte sich nicht, für irgendwen die Augen zu öffnen. Es kostete in der Hitze zu viel Energie.
    Und nur deshalb konnten der Normanne und die Angelsächsin kurz und ungestört Blicke wechseln.
    Schweißtropfen liefen an ihrer Schläfe herab - die Mittagshitze drückte erbarmungslos und mahnte zum Innehalten. Imas Herz klopfte dennoch ungebührlich heftig, wie jedes Mal, wenn sie ihn sah, und sie biss sich auf die Lippen, um sich nicht noch mehr zu verraten. Dann fiel ihr ein, dass außer ihm niemand ihr pochendes Herz hören konnte. Gleich darauf kam der Diener mit dem verlangten Wasser. Gérard ordnete hastig seine Kleider.
    »Ich …« Er musste ihr Herz hören können, als Einziger.
Jeden Schlag. Er hatte es in jener Nacht auf dem Schiff gehört, und jetzt wieder, da war sie sich sicher, und sie lief vor Verlegenheit rot an.
    »Was willst du hier?«, flüsterte sie deshalb beunruhigt und griff nach dem Wasserkübel, um ihn flink zwischen sie zu bringen, denn er war näher getreten.
    Er sah aus, als wollte er etwas sagen, in seiner Miene arbeitete es, doch dann schien ihn der Mut zu verlassen. So blieb ihr nichts als sein brennender Blick. Mehr als ein hilfloses Lächeln fiel ihr nicht ein, und so war sie fast froh, ins Zelt zurückkehren zu können.
    »He, he«, giggelte da die dicke Zeltwache, die nun doch die Augen aufgeschlagen hatte. »He, he. Besser, sie bleibt da drin, so, wie sie ausschaut. Guten Geschmack habt Ihr, Herr Ritter. Besser, sie bleibt dort drinnen.«
    Eine schmale Hand an Gérards Schulter hielt ihn davon ab, die Zeltwache zusammenzuschlagen. »Ihr

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