Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Totenfrau des Herzogs

Titel: Die Totenfrau des Herzogs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dagmar Trodler
Vom Netzwerk:
sind meine Söhne?«, hörte man den Herzog leise fragen.
    »Ich bin hier, Vater.« Roger stand auf und trat ans Bett.
    »Wo ist mein Sohn? Wo ist Bohemund? Bohemund …«
    »Herr, wir sandten einen Boten nach Eurem ältesten Sohn, doch er ist nicht gekommen«, bedauerte einer der Vertrauten. »Sicher kommt er bald.«
    »Bohemund …« Das Sprechen fiel ihm immer schwerer.
    »Sie sollten ihm den Mund netzen«, flüsterte Ima ärgerlich. »Wenn er Wasser im Mund hat, kann er besser reden. Die Mönche lassen mich nicht.«
    Sie kamen nicht auf diese Idee, und so wurde es äußerst mühsam für den Herzog von Apulien, sein Reich anzuempfehlen und aufzuteilen. Immer wieder musste er innehalten und nach Luft ringen, während einer nach dem anderen an sein Bett trat und seinen Segen und sein Erbteil empfing. Schon seit dem ersten Balkankrieg war klar, dass Roger Borsa seine Nachfolge antreten würde, dennoch galt es,
die Vertrauten zu bedenken, Klöster zu erwähnen, Stellungen zu verteilen oder zu bestätigen. Die Schlange an seinem Lager schien endlos. Zu jedem von ihnen sprach Robert ein paar Worte, dankte für gute Waffenbruderschaft oder Ratschläge. Bei manchen fand er sogar die Kraft zu einem persönlichen Wort oder einem Scherz, anderen legte er nur die Hand auf den Arm und hieß sie wieder aufstehen. Immer wieder musste er die Augen schließen, um Kraft zu sammeln. Manchmal dauerte das so lange, dass man schon dachte, er sei wieder eingeschlafen. Dann streichelte Sicaildis ihm über die Wange und flüsterte in sein Ohr, und er schlug die Augen auf. Blickte erstaunt um sich, als hätte er vergessen, wo er war.
    »Bohemund?«, so hörte man ihn immer wieder fragen. Doch der Sohn seiner ersten Gattin war nicht gekommen, und niemand wagte nachzuhaken, warum.
    Ima stöhnte leise. Mit der linken Hand wischte sie sich den Schweiß von der Stirn.
    »Komm«, flüsterte Gérard. In der Unruhe, die hier im Zelt herrschte, würde niemandem auffallen, wenn sie sich entfernten. Selbst die Wachen hatten sich nach drinnen gesellt, um mitzubekommen, wer was verliehen bekam oder womit gekrönt wurde. Und so wurden Ima und Gérard von keinem behelligt, als sie sich durch den Zelteingang nach draußen an die frische Luft schlichen.
     
    »Und nun?«
    »Wir warten«, sagte Ima. Umständlich ließ sie sich neben ihm im Schatten der Zeltwand nieder. »Wir warten auf seinen Tod. Der Herzog ist bereit.« Sie holte tief Luft, dann lehnte sie erschöpft den Kopf gegen die Leinwand und zog die Beine an. Gérard krampfte die Hände zusammen. Er hätte gerne zumindest den Arm um sie gelegt, doch rund um den Platz hockten Soldaten und taten das Gleiche wie
sie und die Menschen im Zelt: Sie warteten auf den Tod ihres Herzogs. Es gehörte sich nicht, hier eine Dame anzufassen. Es gehörte sich natürlich auch nicht für eine Dame, sich neben einem Soldaten im Staub niederzulassen, ganz gleich, wie oft sie schon bei ihm gelegen hatte. Trotzdem tastete er nach ihrer Hand. Und weil die in der Rockfalte verborgen lag, sah niemand, wie sich die Hände fanden, miteinander verschränkten und stumme Zwiesprache hielten - noch stummer und verborgener als auf dem Schiff. Und noch etwas geschah: Sie lehnte sich an seine Schulter. Der Aufruhr in seinem Körper beruhigte sich. Es war gut so. Sie war bei ihm - das genügte.
    Die Nacht kam auf leisen Sohlen und brachte ein wenig kühlere Luft zwischen die Zelte. Das Lied der Nachtigall war verklungen, doch sicher wachte der Vogel in der Nähe des Zeltes, um Robert in den Schlaf zu singen, wenn die Zeit gekommen war. Vielleicht setzte dem Vogel auch die Hitze zu. Unvorstellbar, dass das Meer gleich hinter den Bäumen liegen sollte, so heiß, wie es hier war! Ima wischte sich zum wiederholten Male den Schweiß von der Stirn.
    »Trink.« Eine Kelle Wasser netzte ihre Wange. Gérard hatte Wasser geholt und stellte den Krug auf den Boden. Im Zelt des Herzogs betete man weiter. Thierry war nicht wieder aufgetaucht, und Ima fragte sich, ob man von ihr erwartete, dass sie die Nachtwache begleitete. Vermutlich war das besser. Träge rappelte sie sich auf. Dann fiel ihr etwas ein.
    »Bohemund. Er fragte nach Bohemund. Weißt du, wo er steckt?«
    In der Dunkelheit schaute niemand, und so packte er ihre Hand und zog sie noch einmal in den Staub. Ein warmer Schauder rieselte ihr über den Rücken.
    »Bohemund ist auf dem Festland. In der Nähe von Bundicia, habe ich gehört.«

    »Und wieso kommt er nicht, wenn sein Vater im

Weitere Kostenlose Bücher