Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Totenfrau des Herzogs

Titel: Die Totenfrau des Herzogs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dagmar Trodler
Vom Netzwerk:
reitet nach Limnaia. Um einen feigen Mord zu vereiteln. Sie ist ja wahnsinnig geworden. Sie bat mich um Hilfe …« Die Erinnerung, zu langsam gewesen zu sein, schmeckte schal - die Scham erst recht. »Sie ist wahnsinnig geworden«, wiederholte er daher schnell.
    Thierry nickte stumm. Im selben Moment, da er die Hände von Thierrys Schultern ziehen wollte, griff dieser danach. »Nehmt mich mit, wenn Ihr losreitet, Gérard. Lasst mich nicht allein hier! Lasst mich nicht zurück - ich bitte Euch! Ich flehe Euch an!« Und der Mönch trat noch näher an ihn heran, und seine Hände berührten Gérards behaarte Wangen. »Ich flehe Euch an. Lasst mich nicht in diesem Lager zurück. Bitte.« Seine Augen standen voller Tränen und schimmerten wie geheimnisvolle Edelsteine unter Wasser. »Gérard. Ihr wisst, wer ich bin. Lasst mich nicht zurück.« Die Hand wandert beinah zärtlich hoch zu seinen Augen,
dass er kaum begriff, wie ihm wurde - nein, er hatte es nie gewusst, nie geahnt, nie! Bis zu diesem Augenblick, da ihn die zarte Geste in dieser völlig unmöglichen Situation berührte. »Thierry!«
    Der Mönch umarmte ihn einfach. Er schob die Arme unter seinen Achseln hindurch und verschloss sie auf seinem Rücken, und dann barg er schutzsuchend den Kopf an Gérards Brust, dass sich das Kettenhemd in den Schädel bohren musste. Vielleicht tat der Schmerz gut. Vielleicht kühlten die Schluchzer den seltsamen Schmerz, der die Seele des kleinen Mönchs schon so lange verzehrte. Gérard wusste nicht, wie ihm geschah. Mitgefühl und eine leise Zärtlichkeit für die verirrte Seele keimten in ihm auf. Allmählich wurde das Schluchzen leiser, dafür schmiegte Thierry sich an den Ritter des Guiscard, um für wenige gestohlene Augenblicke in ihm zu verschwinden …
    »Gott steh uns allen bei«, flüsterte Gérard, berührt und zutiefst beunruhigt.
    Die schmale Gestalt löste sich von ihm. »Verzeiht. Verzeiht. Bitte.« Die Lider verschlossen ihre Augen, nur die Tränen glänzten noch im Fackelschein, dann wurde das blasse Gesicht still. »Verzeiht. Ich hatte solche Angst. Verzeiht meinen Ausbruch - vergesst ihn, wenn Ihr könnt. Bitte vergesst alles.«
    Die Fackel flackerte, und das Letzte, was er sah, war der Zipfel einer schwarzen Kutte hinter der Zeltplane.
     
    Das Pferd schnaubte ihr beunruhigt ins Gesicht und scharrte mit den Hufen.
    Ima schlug die Augen auf. Viel zu alt war der Tag bereits, brütende Hitze lag über der Lichtung, auf der sie sich mit dem Pferd allein befand, und ein Gewitter zog umher. Schwere Wolken boten die rechte Kulisse und sicher genug Regen. Es hatte wohl auch niedergehen wollen und bereits
ein paar Blitze zur Erde geschickt, doch dann war ihm anderes in den Sinn gekommen, und es bereitete schwerfällig seinen Abzug vor. Der Himmel blieb dick, trübe und grau. Grau war auch die Luft, trotz des frühen Morgens - Ima rieb sich die brennenden Augen. Der Donner lachte noch einmal kurz auf. Er deutete auf das Geschenk, das er der Erde gemacht hatte und gegen das sie sich nicht zu wehren vermochte. Er stieß seinen schlechten Atem hinab in Unterholz und morgenfeuchtes Moos. Es roch nach Rauch. Und nach etwas noch viel Unangenehmerem …
    Sie setzte sich auf.
    Der Platz war übersät von Toten, über die dicke Schwärme von Schmeißfliegen kreisten - mit jedem Lufthauch setzten sich die Schwärme in Bewegung, um gleich darauf wieder hungrig zu Boden zu sinken und ihr Werk fortzusetzen … Ima presste die Hand vor den Mund. Bevor sie schreien konnte, fiel ihr ein, was das für Tote waren, womit sie ihren Schrecken leider nicht verloren. Sie rappelte sich auf. Fünf, sieben, zehn - sie hörte auf zu zählen, sah noch zwei tote Pferde, an denen sich ein wilder Hund gütlich tat, der davonschlich, als sie sich zu ihm umdrehte. Zittern befiel ihren Körper, die Schlacht war so nah, sie fühlte sich eingekreist …
    Bohemund von Tarent war verschwunden - sein Beutel, Waffen, sein Pferd. Das Einzige, was auf seine Anwesenheit hindeutete, war der Mantel, in den sie sich vergangene Nacht hatte hüllen dürfen, weil sie die feuchte, kalte Luft trotz des Feuers am Schlafen gehindert hatte. Sie öffnete die kostbare Schließe und zog ihn von den Schultern.
    Nachdenklich strich sie über den erlesenen Stoff und versuchte sich zu erinnern, was vergangene Nacht noch alles geschehen war - nach dem Kampf. Bohemund hatte sie, soweit es die Situation erlaubte, wie eine Dame behandelt und war ihr nicht zu nahe getreten. Er hatte

Weitere Kostenlose Bücher