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Die Totenfrau des Herzogs

Titel: Die Totenfrau des Herzogs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dagmar Trodler
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zurückkommen?« Ima sah sich mit großen Augen um. »Ihre Kameraden holen? Habt Ihr keine Furcht?«
    Er sah sie lange an. Sein schönes, junges Gesicht trug schwer an dem Trauerflor, den dieser Tag über ihn geworfen hatte.
    »Nein«, sagte er. »Sie kommen nicht in der Nacht. Die Gottlosen fürchten die Nacht.«
    Ima nickte und sah sich um. Die Toten lagen so, wie sie gefallen waren, nicht einmal seine eigenen Leute hatte er aus dem Schlachtfeld herausgezogen. Sie fragte sich, ob er nicht den Mut dazu hatte oder ob es unter seiner Würde war. Bohemund hatte sich wieder am Feuer niedergelassen und sein Schwert auf den Boden gelegt. »Und es war die Herzogin, die meinen Mörder schickte?«, fragte er nach einer Weile.
    »Ja, es war die Herzogin«, sagte Ima langsam.
    Bohemund nickte stumm und starrte in die Flammen. Das Feuer wusste darauf keinen Trost. Schließlich sah er auf.

    »Sitzt bei mir und wacht mit mir.« Kindlich und ernst ruhte sein Blick auf Imas Gesicht. Der Mond gab sich alle Mühe, die Furchen, die das Leben in seine jungen Züge gegraben hatte, zu glätten. Sie verstand. Heute Nacht war er nur ein Sohn, der seinen Vater verloren hatte - weiter nichts. Kein Heerführer, kein Überlebender, kein Krieger. »Bitte, bleibt. Haltet die Totenwache mit mir.«
    Ima kniete neben ihm nieder. »Unsere Gedanken sind bei Euch gewesen, mon seignur - weil Euer Vater sich um Euch sorgte«, sagte sie leise, weil sie das Gefühl hatte, dass ihm das half. Er nickte nur. Sie nestelte in ihrer Tasche und kramte getrockneten Salbei hervor. Als das Kraut in den Flammen verbrannte, kühlte sein Duft die Trauer und strich ihnen über die Stirn.
    »In Deo tantum quiesce« , begann Ima den Lieblingspsalm ihrer Mutter, den Einzigen, der auch ihr stets hatte Trost geben können. »Anima mea, quoniam ab ipso patientia mea. Verumtamen ipse Deus meus et salutare meum, praesidium meum; non movebor. In Deo salutare meum et gloria mea; Deus fortitudinis meae, et refugium meum in Deo est …«
    »In te, Domine, speravi« , sang der Graf von Tarent mit brüchiger Stimme, »non confundar in aeternum. In iustitia tua libera me et eripe me; inclina ad me aurem tuam et salva me.«
    Sie sprachen kaum in dieser Nacht, auch wenn Ima sich gewünscht hätte, mehr über den Sohn des Guiscard zu erfahren. Doch der hing seinen Gedanken nach, nahm vielleicht Abschied von seinem Jugendleben. Die Psalmen bildeten eine Kette, an denen beide sich durch die Dunkelheit hangelten. Es tat gut zu schweigen, und es tat gut, die Stimme zu erheben, denn sie ließ den Körper schwingen, dass man das Leben spürte.
    Der Tod, der in dieser Wache um sie herumschwebte,
hielt gehörigen Abstand. Und weil das Feuer ruhig brannte, blieb die Angst fern.
    »Weiß wirklich niemand, dass Ihr mich gesucht habt?«, fragte Bohemund irgendwann. Lauernd sah sie ihn von der Seite an, verletzt durch sein Misstrauen.
    »Man erwartet von einer Dame ganz gewiss nicht, dass sie sich nachts auf ein gestohlenes Pferd setzt und durch schwarze Wälder reitet«, erwiderte sie mit einem Hauch zu viel Schärfe in der Stimme. »Dieser hier ist der Einzige, der mich gesehen hat.« Sie nickte zu Marius de Neuvilles Leichnam.
    Er betrachtete sie nachdenklich. »So hoffe ich für Euch, dass Euer … Ausflug unbemerkt bleibt. Vergebt mir meinen Argwohn. Ich habe niemals zuvor jemanden wie Euch getroffen.«
    Sie war sich nicht sicher, ob das als Kritik gemeint war, daher schwieg sie einfach.
    Das kleine Feuer knackte vorsichtig. Es hätte mehr Nahrung gebraucht, doch Ima traute sich nicht, Reisig nachzulegen, weil sie dann hätte aufstehen müssen. Bohemund neben ihr hatte auch mit Beten aufgehört. Er hockte einfach da und starrte in die Glut.
    Der Mann, den er vorhin als Letzten getötet hatte, lag nur einen Steinwurf weit entfernt.
     
    Gérard steckte seine Waffe wieder in den Gürtel.
    Es hatte keinen Sinn, den Zerlumpten umzubringen, er begriff, dass er nur Mittel zum Zweck gewesen war und Ima nicht hätte aufhalten können. Ein ohnmächtiger Fluch blieb über dem Verletzten hängen, als der Normanne sich aufmachte - bevor der ungleiche Kampf Freunde auf den Plan rufen konnte. Immerhin war er ein Fremder in diesem Lager. Normanne, Außenseiter. Und niedrig geboren. Er spuckte auf den Boden. Noch unerträglicher allerdings
erschien ihm nun seine Hilflosigkeit - Ima war fort, und er hatte nicht die blasseste Ahnung, wohin sie gegangen sein könnte, warum sie ihren Ruf und alles, was ihr

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