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Die Totenfrau des Herzogs

Titel: Die Totenfrau des Herzogs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dagmar Trodler
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diese Variante nachdachte, desto mehr erschrak sie: Würde ein Roger seinen verhassten
Halbbruder auslösen, wenn er offiziell als Geisel deklariert wurde? Eine Herzogin den Sohn ihrer Nebenbuhlerin? Eine Geisel konnte man auch verrotten lassen, wenn man kein Interesse an ihrer Freilassung hatte. Das sparte viel Gold und noch mehr Ärger - doch wie wahrscheinlich das in Bohemunds Fall sein würde, konnte der Warägerführer eigentlich nicht wissen. Er wusste ja vermutlich nicht einmal, dass der Guiscard nicht mehr lebte. Die Nachricht vom Tode des apulischen Herzogs konnte nach drei Tagen von einer Insel noch nicht so weit gekommen sein.
    Er konnte daher auch nicht wissen, dass er einen potenziellen Erben des apulischen Reiches gefangen hielt.
    »Herr Bohemund.« Ihre Stimme wurde heiser, und im Überschwang legte sie ihm die Hand auf den Arm. Der Arm war sein Gesicht, denn er hatte sich wieder hingelegt, offenbar hatten die Prügel ihm zugesetzt. Schnell zog sie die Hand wieder weg. »Herr Bohemund, vielleicht kann ich Euch retten. Ihr gabt mir Euren Mantel - vielleicht verhilft der Euch zur Freiheit.«
    »Ach, Ima.« Er lachte wieder leise. »Ima von Lindisfarne, Ihr seid eine bemerkenswerte Frau. Sehr bemerkenswert sogar.« Seine Hand tastete nun nach ihr, und er rappelte sich hoch. »Setzt Euch ein wenig zu mir. Eure überraschende Anwesenheit ist wie eine Kerze, deren Licht man nicht sieht, aber spürt. Sie wärmt meine Seele in dieser Dunkelheit.«
    Ima lächelte wieder. Seine Schmeicheleien waren die Kerze in der Dunkelheit. Man konnte sich ihnen hingeben und für die Dauer einer kleinen Flamme vergessen, in welch misslicher Lage man sich befand. Seine Idee, beieinanderzuhocken, war sündhaft, doch es gab auch keinen Grund, es nicht zu tun. Dieses einsame, schmutzige Loch war zu dunkel für Schicklichkeiten aus einer anderen Welt. Und so rückte sie näher, bis sie die abwartend gespannte
Nähe des Kriegers spürte. Und es tat gut. Es tat gut, die Wärme seines Köpers zu spüren, seinen Atem zu hören - nicht allein zu sein in diesem finsteren Loch voller drängender Einsamkeit. Ihre Gedanken indes drehten sich im Kreis.
    »Erlaubt mir, Euren Mantel zu Eurer Rettung zu benutzen«, flüsterte sie. »Ich könnte ihnen erzählen … ich könnte …« Da legte er stumm den Arm um sie und zog sie an seine Schulter. Sie wehrte sich, wollte protestieren, das gehe zu weit, ihre Lage sei für unziemliche Zweisamkeit zu ernst - doch irgendwie tat es gut, nach allem, was hinter ihr lag.
    Der Herzogssohn hielt sie auch nur sanft und bedrängte sie nicht weiter.
    Mit seinen Sinnen wachte er über sie, er lauschte auf die Geräusche vor der Höhle, und Ima fühlte sich für einen kleinen Moment sicher und beschützt.
    »Ich vertraue Euch«, raunte er. »Ich vertraue Euch, ma dame …«
     
    Sie mussten beide wohl eingenickt sein, denn Lärm und grelles Licht kamen völlig überraschend. Blitzschnell schob Bohemund sie von sich weg und mit dem Rücken gegen die feuchte Felswand. Der Abstand zwischen ihnen war zu klein, aber eben noch schicklich, dass es nicht auffiel. Die qualmende Fackel fuhr einmal durch die Höhle, bis sie die Gefangenen gefunden hatte. Ein langer Schritt auf sie zu, und Ima wusste, dass sie gemeint war. Ohne ein Wort packte der Ankömmling sie am Arm und stellte sie auf die Füße. Sie fand gerade noch Zeit, ihren Mantel zurechtzuziehen, da schleifte er sie schon aus dem Gefängnis heraus.
    »Nábitr«, verstand sie und »Weiberkram«. Mit einem Stoß in den Rücken trieb er sie vorwärts, auf den Bohlenweg, der diesen merkwürdigen Ort wie eine hölzerne Schlange durchzog, und auch diesmal gab es keine Gelegenheit,
sich umzuschauen. Die plötzliche Hitze schlug zu wie eine Keule. In der Höhle hatte sie gefroren, vor Kälte und auch vor Angst - hier draußen brach ihr der Schweiß aus, und sie hob die Hände, um sich über das Gesicht zu wischen. Da packte der eine Mann sie beim Handgelenk, rief: »Finger weg, Dirne!«, und zwang sie mit schmerzhaft verdrehtem Arm, neben ihm herzulaufen. Der andere schob von hinten.
    Ima hasste es, unter Druck gesetzt zu werden. Jetzt, wo sie nicht wusste, was man mit ihr vorhatte, wurde der Druck beinahe übermächtig. Unwillig riss sie sich von der Faust des Mannes los und schritt, bevor er sie noch heftiger angehen konnte, freiwillig neben ihm her. Ihr Ärger hatte offenbar genug Macht - der Mann ließ die Hände sinken. Zum Glück. Ihr Herz klopfte wild. War damit

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