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Die Totenfrau des Herzogs

Titel: Die Totenfrau des Herzogs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dagmar Trodler
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das Hemd zog er gar nicht erst über, möglicherweise waren sie mit ihrem Geschäft nicht fertig geworden, möglicherweise war er auch unersättlich und nahm sie als Nächste.
    »Ah, eine Frau bringst du, Hákon, alter Sammler.« Ein kehliges Lachen ertönte, so anzüglich, wie nur Männer es ausstoßen können, dann erhob er sich zu voller Größe: Er ragte bis ins Dach hinein. Den Warägern waren griechische Häuser in der Tat zu klein. »Lass mal sehen. Habt ihr noch mehr gefunden? Ihr findet in den letzten Tagen so vieles, dass ich beinah auf den Gedanken kommen könnte,
der Apulier heckt irgendwas aus, dass er überall Leute verliert.«
    »Da magst du recht haben, Örn.« Hákon zog die Nase hoch. Es war deutlich zu spüren, dass er den Scherz albern fand. »Doch diese hier … war allein im Wald, gleich hinter dem Feuer. Wir vermuten, dass sie es gelegt hat …« Ima schnaufte. Die beiden schauten sie genauer an, und sie riss sich zusammen. Schweig still. Örn war viel zu groß, als dass sie sein Gesicht erkennen konnte, doch dass er unentwegt Grimassen schnitt, fiel ihr auch im Dämmerlicht sofort auf.
    »Versteht sie uns?«
    »Sie spricht Latein. Aber sie ist keine Lateinerin. Sie spricht nicht wie eine Lateinerin.« Er griff in ihr blondes Haar, wie man die Mähne eines Pferdes anfasst, um seinen Wert abzuschätzen. Örn trat näher. Als er vor ihr stand, blickte sie geradewegs auf eine Brustwarze, durch die eine dicke, wulstige Narbe verlief. Den Krusten nach zu urteilen, konnte sie noch nicht allzu alt sein, vielleicht wollte sie auch nicht verheilen. Dichtes, dunkles Haar lockte sich auf der Brust, der Schweißgeruch war unerträglich. Obwohl man gleich neben dem Meer lebte, badete man offensichtlich nicht. Ima wagte es nicht mehr, den Kopf anzuheben, aus Angst, von Übelkeit überwältigt zu werden. Deswegen erkannte sie auch den Greifvogel neben Örns Thron - ein riesiger Adler, der wie ein Schemen aus Vorstellung und Angsttraum regungslos dort hockte. Es zeugte von der Eitelkeit des Warägers, dass er sich zu seinem Namen das passende Tier hielt. Vermutlich war es gut ausgebildet und schlug jedes Reh.
    Die Frau entzündete kleine Fackeln und steckte sie in Wandhalterungen. Geduckt huschte sie mit einem Tranlicht durch den Raum. Als sie an ihnen vorbeikam, gewann das Brusthaar mit dem Licht an Kontur, darunter erkannte Ima schwarze Linien. Er war bemalt wie ein Krieger des Nordens.

    »Lateinerinnen sind nicht blond«, konstatierte Örn und fasste ebenfalls in ihr Haar. Unwillig schüttelte Ima die Hand ab, da stieß er sie von sich. »Wem hast du gedient?«, fragte er in schlechtem Latein.
    »Niemandem«, erwiderte Ima mit fester Stimme, obwohl ihr das Herz heftig schlug, weil die behaarte Brust trotz des Stoßes einen Schritt näher gekommen war und der nahende Schweißgeruch sie schier umbrachte. Unter den Haaren zeigte sich eine in die Haut geritzte Figur, die sie von früher kannte. Ihre Gedanken kreisten wild. Er tat einen weiteren Schritt. Die Bruch lag nur lose verknotet auf den Kanten der schmalen Hüften und machte den Eindruck, als würde sie jeden Moment hinunterrutschen. Vielleicht war das Absicht.
    »Dann dienst du jetzt mir. Zieh dich aus.« Damit riss er ihr den Mantel von den Schultern und wollte sich an ihrem Kleid zu schaffen machen. Hákon lachte nur verächtlich und brummte was von verbrannten Fingern, und Ima erwachte vollends zum Leben. Sie duckte sich unter seinen Händen und huschte einen Schritt weg von ihm. Flugs sprang er hinter ihr her. »Oh! Ein wildes Ding!«, packte sie am Arm und zerrte an den Kleiderfetzen. Ima wehrte sich, der Griff wurde fester, der Mann kam ganz nah, fluchte wieder: »Scheißbock!« Sie roch ihn und seine männlichwilde Entschlossenheit, sah ihre Felle davonschwimmen und zog die letzte Waffe.
    »Tretet zurück!«, rief sie mit voller Stimme und schleuderte ihm ihre Hand mit dem verfluchten Finger entgegen. »Tretet zurück und nehmt Eure Hände weg!« Die Frau an den Fackeln kreischte entsetzt auf, als der sechste Finger einen langen Schatten gegen die Wand warf, und auch Hákon fuhr erschrocken zurück, in Erwartung, dass die Hand ihren Zauber vielleicht auch auf ihn ausweitete.
    Ima fühlte, wie ihr aus verborgener Quelle Kraft in die
Glieder schoss. War der Finger doch verzaubert? Bisher hatte sie nur den Tod damit erspüren können, mehr nicht. Gab es da mehr? Sie kam sich vor wie eine Riesin und dem Krieger ebenbürtig - für einen kurzen

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