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Die Totenfrau des Herzogs

Titel: Die Totenfrau des Herzogs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dagmar Trodler
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Moment, denn er war wirklich stehen geblieben. Die Frau rannte wimmernd aus dem Haus. Für den Haarigen existierten solche Befürchtungen jedoch nicht lange, er packte nach kurzem Erstaunen einfach die Hand mit den sechs Fingern und riss Ima unmissverständlich an sich.
    »Willst du mich einschüchtern?«, knurrte er. Ihre Haare sträubten sich unter seinem Atem. Sein lockiges Brusthaar streifte Imas Gesicht. Die gemalte Figur war eine Männerfigur mit erigiertem Glied. Der Mann vor ihr war ebenfalls deutlich bereit. Sie stand kurz davor aufzugeben. Nachdrücklich berührte er ihre Wange, dann ihre Lippen, sein Finger bohrte sich zwischen die Lippen, dann glitt die Hand weiter zum Ohr. Er wusste, was er da tat, er kannte seine Macht. Ihr Versuch, sich dagegen zu wehren, versickerte an seiner Brust. Diesmal versank ihr Gesicht ganz in den schweißigen Haaren, mit der Nase an dem Fruchtbarkeitsgott. Örns Finger bohrten sich in ihren Nacken - unerbittlich.
    »Ich mag solche Katzen«, lachte er. »Scheißbock, verfluchter. Egal, welche Sprache sie sprechen und wie viele Finger sie benutzen. Ich mag Katzen.« Dann küsste er sie auf den Mund - ganz kurz nur, doch sie spürte seine Zunge. Es war eine klare Vorankündigung, wie er sich alles Weitere vorstellte. Dann schob er sie jedoch ein Stück zurück. »Geh dich ein wenig ausruhen. Geh. Ich lasse dich holen.« Seine Nase wurde alle paar Momente wie von unsichtbarer Hand hochgezogen, dass man in die behaarten Löcher hineinschauen konnte. Das war das Letzte, was sie von ihm sah. »Scheißbock!«, hörte sie ihn lachen. »Verflucht!«
     
    Ein Tritt in den Hintern sorgte dafür, dass Ima zu Boden fiel, und weil man hinter ihr sogleich die Pforte verschloss, konnte sie nicht erkennen, wo genau sie hingefallen war. Ihre Ellbogen fingen den Sturz ab, der Kleiderärmel jedoch gab auf und riss entzwei. Aufstöhnend krabbelte sie hoch - es war dunkel.
    Um sie herum war es dunkel wie zur Nacht. Nur durch ein paar Ritzen an der Tür drang Licht, aber kein Laut. Mit den Händen ertastete sie Fels - überall Fels, nackter, feuchter Fels. Mit Riesenschritten hatte der Graue sie an düsteren Hütten vorbeigetrieben, und weil er sie immer wieder brutal vorwärtsgestoßen hatte, war keine Zeit gewesen, sich umzuschauen, weil sie sonst hingefallen wäre. Viel mehr als die paar Häuser hatte das Dorf auch nicht zu bieten, doch sie hätte gerne mehr über die menschliche Gefahr in diesem Dorf gewusst. Doch zu spät - nun gab es nur noch nackten Fels und Dunkelheit. Hákon hatte sie dem Berg überantwortet, der sich hinter dem kleinen Weiler erhob. Der Berg hatte den Menschen einst dieses Loch abgetreten, vielleicht um Fässer zu lagern oder sich vor Feinden zu verbergen, und natürlich gab es nur die eine Tür. Ima schluchzte auf. Der Gedanke an die eine Tür brachte alle anderen Gedanken zum Erliegen. Hinter der Tür war die Freiheit - das Pferd irgendwo in diesem Lager, der weite Weg nach Bundicia - ein Weg, den sie allein niemals finden würde - Gérard. Gérard - der Name brachte sie zum Weinen, sie stammelte flüsternd seinen Namen. Ungehört, unerreichbar, einsam war sie, als draußen der zweite Riegel vorgeschoben wurde und ein letzter Tritt gegen die Tür zusammen mit albernen Witzen über ambrakische Huren ihre Gefangenschaft besiegelte. Sie warf sich gegen die Tür, schluchzend und der Verzweiflung nahe, und ihre Nägel schrammten über das Holz, dass es in den Ohren schmerzte. Auf der anderen Seite der Tür lachte jemand.

    »Keine Sorge, du wirst nicht lange da drinbleiben. Du bist viel zu hübsch.« Dann entfernten sich die Schritte, und es wurde still.
    Nur das Wasser sandte sanfte Wellenmusik in die kleine Bucht, und durch die Ritzen der schweren Tür drang die Musik auch an Imas Ohr. Sie sackte an der Tür zu Boden, leise weinend, fassungslos über ihre neue Lage und unfähig, zu denken oder gar Pläne zu schmieden. Anders als seinerzeit in Rom hatte sie nicht einmal eine Idee, was nun weiter mit ihr passieren würde. Sklaverei? Schwere Arbeit? Oder das Lager des Riesen? Hoffnungslosigkeit überkam sie wie ein düsterer Schleier und drückte sie zu Boden, wo ihre Schluchzer vor purer Erschöpfung langsam versiegten.
     
    »Ihr seid nicht allein.«
    Ima fuhr zusammen. Die Ritzen in der Tür waren zu schmal, um etwas erkennen zu können, und die Stimme war zu leise, als dass sie hätte sagen können, aus welcher Richtung sie kam. Sie schniefte ein letztes Mal und blieb dann

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