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Die Totenfrau des Herzogs

Titel: Die Totenfrau des Herzogs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dagmar Trodler
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etwas gewonnen? Es schien ihr immer noch nicht klug, ihre Sprachkenntnis zu offenbaren, und so hielt sie lieber den Mund.
    »Örn sucht sich immer die besonderen Katzen«, lachte der neben ihr nämlich. »Erst vernascht er sie, dann schickt er sie zu den Wilden …«
    »Statt dass er sie hierlässt«, ergänzte der Begleiter mit der Fackel.
    »Hat er auch schon gemacht. Eine Thessalierin. Die war blond und breit … sehr breit. So breit - ich sag dir! Da hatten drei Mann nebeneinander drin Platz.« Er kicherte albern. »Ich war in der Mitte, und sie hat jeden von uns einzeln …« Ima legte an Tempo zu und ging einen Schritt vor ihnen, um ihre widerlichen Zoten nicht hören zu müssen. Ungefährlich war das nicht, denn die Wege des kleinen Ortes am ambrakischen Golf waren durchaus von neugierig glotzenden Männern bevölkert, umso mehr, je näher sie dem Haupthaus kamen, und alle, wirklich alle glotzten auch hier. Vierschrötige, bärtige Kerle, manche mit albernen Seidentüchern behängt, andere hatten sich Bänder
in den Bart geflochten. Mit breiten Ledermanschetten besetzte haarige Arme, die Waffen zu führen wussten. Rufe erschallten, Pfiffe ertönten, jemand warf seine Lederkappe vor ihre Füße und sich selbst hinterher. Lachend zogen seine Freunde ihn aus dem Weg.
    »Die hier behält er sicher für sich«, meinte der Linke denn auch nachdenklich. Dann hatten sie das Haus des Anführers erreicht. Örn Nábitr, so war ihr im Gedächtnis geblieben. Adler, der die Leichen beißt. Nordmänner hatten einen eigenartigen Sinn für Namensgestaltung, daran konnte sie sich aus Kindertagen noch erinnern, und eisige Schauder liefen ihr über den Rücken. Der Name charakterisierte stets den Mann. Doch inzwischen war so viel Tod um sie herum gewesen, dass sie mit einem Leichenbeißer wohl auch noch fertig werden würde. Aus einer verborgenen Quelle strömte Kraft in ihre Adern, und sie konnte den Kopf wieder gerade auf den Schultern tragen. Sie hatte Rom überlebt. Immer wieder konnte sie sich das sagen. Sie hatte Rom überlebt. Das flößte ihr mehr Mut ein, als ein Gebet es je hätte tun können. Der Mut blieb auch bei ihr, als ihr Begleiter die Tür zur Halle des Leichenbeißers aufstieß.
     
    Der Nábitr hing wie bei ihrer ersten Begegnung halb nackt in seinem Lehnstuhl. Diesmal jedoch saß keine Frau auf seinen Knien - diesmal wartete er auf sie. Ima presste die Lippen aufeinander. Dunkel erinnerte sie sich wieder an die arroganten Männer aus dem Norden, die weder Gott noch den Teufel fürchteten und sich nahmen, was ihnen gefiel. Sie erinnerte sich an Erzählungen über abgeschlagene Köpfe und vergewaltigte Frauen und an die grölenden Zecher daheim in der Halle ihrer Eltern. Sie erinnerte sich, mit welcher Angst die Mutter von diesen Männern gesprochen hatte und wie wichtig ihr die Ruhe und Abgeschiedenheit
auf Lindisfarne gewesen waren. Dieser Nábitr war wie ein Echo aus der Vergangenheit. Sie unterdrückte den Lärm in ihrem Kopf und wappnete sich innerlich für die Begegnung.
    »Jetzt habe ich Zeit für dich, jetzt wollen wir feiern«, grinste er und strich sich aufreizend über die breite Brust. Offenbar rasierte er manchmal sein Brusthaar, um Platz zu schaffen für sein Götterbild. Jetzt war die Halle von Fackeln erleuchtet, und Ima erkannte zweifelsfrei Freyr, den Fruchtbarkeitsgott aus ihrer Kindheit, von geschickter Hand in die Haut geritzt.
    »Feiern? Ihr feiert die Gefangennahme einer Frau? Was seid Ihr für ein kleiner Mann!«, platzte sie heraus. »Habt Ihr sonst nichts zu feiern?«
    »Du hast ziemlich viele Haare auf deinen hübschen Zähnen.« Wie beim ersten Mal nahm er das Bein aufreizend langsam von der Lehne. »Ich will dir deine Haare dunkel färben, Mädchen …
    »Ihr haltet meinen Diener gefangen. Gebt ihn frei!«, verlangte sie, ohne einen Moment länger abzuwarten und obwohl ihr Herz vor Aufregung raste. »Ich verlange, dass er sofort freigelassen wird. Er nutzt Euch nichts. Er kann nicht einmal ein Feuer machen.«
    Örn Nábitr runzelte die Stirn, dann lachte er mit voller, runder Stimme. Seine grauen Augen blitzten amüsiert zwischen den langen blonden Wimpern hervor.
    »Apulisches Weib, du bist genauso hochfahrend, wie man deinem Volk immer nachsagt. Ich soll deinen Diener freilassen? Wie kommst du darauf? Warum sollte ich das tun?« Er klappte die Beine auseinander, setzte die Ellbogen auf die Knie und beugte sich vor, um sie scharf anzusehen. Seine nackten Schultern wirkten so noch

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