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Die Totenfrau des Herzogs

Titel: Die Totenfrau des Herzogs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dagmar Trodler
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ganz still sitzen, um sich nicht durch Kleiderrascheln zu verraten. Eine lange Weile hörte man nur das Rauschen des Meeres und die Möwen, die sicher kühn durch die Lüfte segelten - unerreichbar weit weg. Wieder stiegen ihr Tränen in die Augen, weil die Einsamkeit biss wie ein böses Insekt.
    »Ima? Ima von Lindisfarne?« Nun raschelte es weiter hinten in diesem schwarzen Loch. Ima kauerte sich an die Tür - wer befand sich hier mit ihr in dem Gefängnis? Ein Mann? Schwebte sie wieder in Gefahr? Sie wischte sich den Schweiß von der Stirn, sie hatte genug von Männern, und dem nächsten würde sie die Augen auskratzen …
    »Liebste Ima, ich erkenne Euch.« Er lachte leise. Bohemund von Tarent liebte die Frauen, nicht einmal hier konnte er seine Schmeicheleien lassen. »Kommt her, setzt
Euch zu mir, Ima, und sagt rasch, wie es Euch hierher verschlagen hat. Wir hatten uns doch gerade erst getrennt.«
    Fassungslos starrte sie in die Ecke, aus der die Stimme kam. »Seid Ihr es wirklich? Herr Bohemund?«, flüsterte sie ungläubig. Wieder war sein leises Lachen zu hören
    »Makedonien ist groß, nicht wahr? Der Allmächtige wird sich wohl etwas dabei gedacht haben, unsere Wege erneut zu kreuzen. Vielleicht hat er auch meine Gebete erhört, dass ich Euch gerne wiedergesehen hätte.« Selbst seine Stimme verriet ein Lächeln. Ima rieb sich die Augen. Das hier klang alles so unglaublich - war sie dabei, närrisch zu werden?
    Oder schickte der rachsüchtige Geist des Guiscard sie in den Wahnsinn? Dabei hätte er sie längst in Ruhe lassen müssen … nein. Nicht wenn das hier wirklich Bohemund von Tarent war, der als Gefangener eines Warägers in Ketten lag. Dann würde er keine Ruhe geben.
    Vorsichtig robbte sie auf die Stimme zu.
    »Wie … wie gelangt Ihr hierher? Ich glaubte, Ihr wärt am Morgen abgereist?« Schauder rannen ihr über den Rücken, weil das Dunkel so undurchdringlich war und sie die Orientierung verlor - wo saß er, warum sprach er nicht …
    »Abgereist …« Er lachte wieder leise, und diesmal klang es verächtlich. »Ihr müsstet mich besser kennen, Ima, dass ich eine Dame in der Wildnis nicht allein lasse.« Diese Worte waren nichts als höfische Lügen, denn immerhin war er am Vorabend nur schwer daran zu hindern gewesen, eine Dame in der Wildnis niederzuschlagen und zu töten. Gut, dass er ihr amüsiertes Lächeln nicht sehen konnte. Höfische Lügen konnten Sicherheit vorgaukeln, wo keine war, und für den Moment tat es gut, sich von ihnen berieseln zu lassen. »Ich hatte in der Morgendämmerung ein Geräusch gehört, dem war ich nachgegangen - das Pferd nahm ich mit, um schnell reagieren und von Euch und der
Lichtung ablenken zu können. Die Feuer brannten bereits lichterloh, ich sah Schemen von Männern durch den Rauch laufen - und dann hatten sie mich. Es waren diesmal zu viele. Ich hätte mir denken sollen, dass ein weiterer Trupp unterwegs war …« Ima senkte den Kopf. Was auch immer diese Waräger da draußen im Wald trieben - offenbar gehörte es zu ihrer Strategie, sich in kleinen Gruppen zu bewegen, denn sie war ja von einer weiteren Gruppe gefangen worden. Doch sie schwieg, es war nicht mehr von Interesse.
    »Sie nahmen mich gefangen und brachten mich hierher. Mein Pferd kassierten sie ein, meine Waffen teilten sie unter sich auf - und seitdem liege ich hier.« Jetzt hatte sie ihn erreicht und blieb vor der Stimme hocken. Welche Erleichterung, dennoch! Am liebsten hätte sie nach ihm gegriffen, doch einen Sohn des Herzogs fasst man nicht an. Sie machte Fäuste und steckte sie in den Schoß, zur Sicherheit. Ihr Herz hüpfte weiter.
    »Wissen sie, wer Ihr seid?«
    »Ich glaube nicht.« Seine Stimme klang zögernd. »Ich kam nicht dazu, mich zu beweisen. Es war ein kurzer, harter Kampf, dann überwältigten sie mich und legten mich in Fesseln. Waräger kämpfen nicht, wie Ihr das kennt. Sie stürzen sich als Horde auf den Feind und überrollen ihn. Das sind Wilde.« Das letzte Wort stieß er voller Verachtung hervor. Ima schwieg. Ihr Herz hörte auf zu hüpfen. Auch Bohemund von Tarent erfuhr besser nicht, dass sie im Land der Wilden geboren worden war, dass ihr Vater ein heidnischer Prinz war und dass wilde Männer sie auf Knien gewiegt hatten. Als Geschrei und Blut in ihrer Erinnerung auftauchten, unterdrückte sie es mit aller Macht.
    »Vielleicht ist es gut so. Vielleicht kann man Euch so befreien. Ohne dass sie versuchen, Euch auslösen zu lassen.« Je länger sie nämlich über

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